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Corner vom Februar 2008

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März 2008

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7. März 2008

 

4+

Der Krieg des Charlie Wilson

Es war leider keine gute Idee, den Film im Original zu sehen, zum einen war ich hundemüde und wäre fast eingeschlafen, zum anderen haben Philip Seymour Hofmann und Tom Hanks einen derart breiten texanischen Akzent, dass ich sehr viele ihrer Sätze nicht verstanden und dadurch einen Großteil des Wortwitzes verpasst habe. Aber abgesehen davon: Mir hat der Film nicht sonderlich gefallen. Hätte Hanks nicht Wilson gespielt, ich hätte diesen aufgeblasenen, ewig betrunkenen Playboy-Politiker gehasst, der so schleimig ist, dass er sich mühelos jedem Versuch entziehen kann, ihn wegen seines permanenten Fehlverhaltens zu fassen. Seine Wandlung hin zum Verfechter der afghanischen Freiheit schien mir ebenfalls eher aufgesetzt zu sein – wobei seine wahren Gründe im Unklaren blieben (allenfalls eine gewisse Hörigkeit gegenüber der Roberts-Figur wurde angedeutet).

Die Handlung schleppt sich dahin und hakt brav alle Plotpoints ab, die schon im Trailer zu sehen waren. Die Offensive gegen Ende, wenn zu feierlicher Musik die Anzahl der abgeschossenen Flugzeuge und Helikopter verkündet werden, hat einen leicht anrüchigen Beigeschmack, und der saloppe Schlusssatz, dass sie „das Endspiel“ versaut (und damit Taliban und die Anschläge vom 11. September möglich gemacht) haben, ist Zynismus pur.

3

8 Blickwinkel

Keine schlechte Idee, ein Ereignis aus verschiedenen Blickwinkeln zu erzählen, um so ein immer vielschichtigeres Gesamtbild zu liefern. Anfangs funktioniert das auch ganz prima, es zeigt sich aber bald, dass sich das Konzept nicht dauerhaft durchhalten lässt. Der Spannung tat das jedoch keinen Abbruch, die Story wird rasant erzählt, die Schnitttechnik erinnert an die Bourne-Filme, und angesichts des atemberaubenden Tempos hat man kaum Zeit, sich über all die vielen kleinen und großen (Logik-) Fehler zu ärgern. So ist das Vergnügen während des Films wesentlich größer als danach, wenn man über das Gesehene nachdenkt. Das größte Ärgernis ist aber der Trailer, der sämtliche Plotpoints verrät oder zumindest andeutet, so dass sie sich einem während des Kinobesuchs sehr schnell erschließen.

 

3-

Alibi - Ihr kleines schmutziges Geheimnis ist bei uns sicher!

Ray liefert zahlungskräftigen Kunden Alibis, damit diese unbesorgt fremdgehen können. Dummerweise kommt bei den Sexspielchen eines Kunden eine junge Frau ums Leben, und Ray gerät in Schwierigkeiten: Die Polizei und der Freund der Toten wollen den Mord aufklären, sein Klient spielt ein falsches Spiel, und schon bald ist ein Profikiller hinter Ray her, der sich obendrein in seine neue Mitarbeiterin verguckt hat und von seiner kriminellen Vergangenheit eingeholt wird. Ein bisschen viel Plot für knapp 90 Minuten, aber sehr flott inszeniert und bis in die kleinste Nebenrolle prominent besetzt. Es dauert leider ziemlich lange, bis man das Personal sortiert und die Handlungsfäden entwirrt hat, aber dann wird man mit einem hübschen Finale belohnt. Allein Steve Coogan wirkt als Ray etwas blass und überfordert, und auf große Überraschungen sollte man auch nicht warten, aber für einen kurzweiligen Abend reicht es allemal.

 

15. März 2008

 

3

Die Welle

Napola hat mir gut gefallen, und so war ich auf den neuen Film von Dennis Gansel sehr gespannt – vielleicht ein wenig zu sehr. Das Buch bzw. das reale Experiment kenne ich zwar nicht so genau, meine aber, dass es viel weiter ging, als der Film uns vermittelt. Wenn ich mich recht entsinne, wurde im Buch eine Gruppe ausgegrenzt und später unterdrückt, was die Parallelen zum Faschismus deutlicher machen würde. Hier wurde z.B. am Ende Disziplin mit Faschismus gleichgesetzt, was ein wenig am Thema vorbeigeht.

Ein paar Dinge haben mich gestört: Es passiert alles viel zu schnell, die Ereignisse finden innerhalb von nur fünf Tagen statt, was nicht sehr glaubwürdig ist. Zu viele Figuren stehen im Mittelpunkt, sie bleiben deshalb lediglich Abziehbilder (der Außenseiter, der Sportler, die Schüchterne, die Zicke, der Witzbold usw.) und werden keine lebendigen Charaktere. Letztlich wird der Film keinem von ihnen wirklich gerecht; so ist die Wandlung der Cara nicht ganz nachvollziehbar, und auch der Konflikt des Lehrers mit seiner Frau ist nicht wirklich stimmig. Das Finale wirkt irgendwie aufgesetzt und ist ziemlich vorhersehbar, aber alles ist spannend gemacht, sehr gut gespielt und solide inszeniert. Ich hatte nur irgendwie mehr erwartet.

3

Lars und die Frauen

Lars ist ein schüchterner, introvertierter Mann Ende 20, der seiner Familie eines Tages seine Freundin vorstellt: Bianca ist schön, herzensgut und fromm, aber auch stumm und gelähmt – und sie ist eine (Sex-)Puppe. Die Grundkonstellation gehört zu den schrägsten der letzten Jahre (ausgenommen die Charlie-Kaufman-Filme), und das Erstaunlichste ist, dass man den Film, je länger man ihn in Gedanken Revue passieren lässt, immer besser findet.

Ryan Gosling geht völlig in seiner Rolle auf und beweist wieder einmal, dass er das Zeug zu einem der ganz Großen dieser Branche hat. Leider bietet ihm das Drehbuch nur wenig Raum zur Entfaltung, die Darstellung des introvertierten Lars ist zwar gut gelungen, geht aber leider nicht in die Tiefe. Die Story ist schon sehr vorhersehbar, nur bedingt glaubwürdig und weicht seinen Konflikten weitgehend aus. Doch das Resultat ist trotz dieser Schwächen ein liebenswerter und warmherziger Film, der das capraeske Hohelied vom Kleinstadtleben ins 21. Jahrhundert transportiert.

3

Das Waisenhaus

Woran liegt es, dass im Moment aus Spanien so viele Horror- und Gruselfilme kommen? Ein Großteil dieses Verdienstes gebührt sicherlich Guillermo del Toro, der auch diesen Streifen produziert hat. Die Ausgangssituation strotzt nicht gerade vor Originalität: Ein Ehepaar mit Kind zieht in ein ehemaliges Waisenhaus, in dem unheimliche Dinge geschehen. Ein bisschen erinnert die Story an andere Filme dieses Genres wie z.B. Hide and Seek oder The Baby's Room, die Umsetzung ist jedoch atmosphärisch ungeheuer dicht und besticht durch seine schönen Bilder. In der Mitte gibt es ein paar Längen, und richtig gruseln kann man sich auch nicht, dafür gibt es ein paar fiese Schockmomente und eine Ekelszene. Das Ende bietet zuerst eine bittere Überraschung, die einem den Boden unter den Füßen wegzieht, und dann eine – weniger überraschende, aber dafür sehr bewegende – Wendung zum Melodramatischen.)

3+

Love and Other Disasters

Frauen und Männer auf der Suche nach der Liebe ihres Lebens, verzweifelte Großstadt-Singles, peinliche Mütter, jede Menge Verwechselungen und witzige Pannen – der Film unterscheidet sich also kaum von anderen dieses Genres. Doch es gibt Brüche und bebilderte Tagträume der Protagonisten, die für ironische Distanz sorgen, einige satirische Seitenhiebe auf die typische Hollywood-RomCom, die ungewöhnlich sind, und wunderbar schräge Typen. Die Geschichte erinnert an Liebe und andere Grausamkeiten, aber auch an Vier Hochzeiten und ein Todesfall und macht einfach nur Spaß. Hier und da schwächelt er in punkto Dramaturgie, und die Botschaft, dass Liebe wachsen muss, ist auch nicht unbedingt neu. Aber im Laufe des Films beginnt man, seine Helden immer mehr zu lieben, bis man sich am Ende fast nicht mehr von ihnen trennen möchte.

3

27 Dresses

Katherine Heigl ist auf dem besten Weg, die neue Meg Ryan zu werden. Diesmal spielt sie eine junge, viel zu gute und gutmütige Assistentin, die unsterblich in ihren Boss verliebt ist, der sich unglücklicherweise in ihre eigene Schwester verknallt. Es scheint, als würde sie ihr Leben lang die Brautjungfer bleiben, aber niemals die Braut werden, doch da gibt es ja noch den charmanten Journalisten, den Zyniker, der sich als Romantiker ausgibt, und den sie überhaupt nicht ausstehen kann ...

Die Grundkonstellation ist seit den 50ern bekannt und bietet nun wirklich nichts Neues mehr. Von Anfang bis Ende ist alles vorhersehbar, aber zum Glück recht witzig geschrieben und flott inszeniert, und die Darsteller agieren so herzerfrischend, dass sie einem schnell ans Herz wachsen.

Ironische Randnotiz: Verglichen mit Love and other Disasters (den ich direkt davor gesehen habe) ist dies jedoch genau jene Art von glattgebügelter Hochglanz-RomCom, die von ersterem auf die Schippe genommen wird ...

 

19. März 2008

 

3

Horton hört ein Hu

Elefanten sind niedlich, besonders im Zeichentrickfilm. Nach Dumbo kommt nun Horton, der zwar etwas einfältig ist, aber eine Frohnatur, die man gernhaben muss, dazu wendig wie Wiesel und grazil wie eine Gazelle – nicht gerade typische Eigenschaften für einen Dickhäuter. Eines Tages findet Horton ein Staubkorn, von dem Geräusche kommen, und er entdeckt darauf eine komplette, winzig kleine Welt. Natürlich glaubt ihm niemand, besonders nicht das fiese Känguru, und so hat Horton bald den ganzen Dschungel auf den Fersen, die ihm beweisen wollen, dass er spinnt, indem sie das „sprechende Staubkorn“ vernichten.

Der Kinderbuchklassiker von Dr. Seuss behandelt gängige Themen des Genres, es geht darum, dass man anders sein darf, dass man sich für eine rege Phantasie nicht zu schämen braucht – und dass jedes Leben, auch wenn es noch so klein ist, schützenswert ist. Die Moral wird nicht aufdringlich vermittelt, die Erlebnisse des Elefanten sind turbulent und witzig, selbst für Erwachsene ist der Streifen erträglich, wenn auch nicht so gut wie z.B. Ice Age, der von denselben Machern stammt. Insgesamt hätte der Film für meinen Geschmack mehr Wortwitz für die Erwachsenen und weniger Dr. Seuss vertragen können, aber für einen vergnüglichen Nachmittag reicht es allemal.

4+

Michael Clayton

Wie immer werden alle Oscarkandidaten nahezu zeitgleich gestartet, und man hat kaum die Chance, sie auch alle zu sehen. Auf Michael Clayton war ich sehr gespannt, da ich Filme dieser Art mag, und vielleicht ist deshalb die Enttäuschung umso größer. Denn der Film ist über weite Strecken … bemüht, um nicht zu sagen langweilig. George Clooney spielt zwar gut, genauso wie Tom Wilkinson oder Tilda Swinton (die ihren Oscar eher für kontinuierlich gute Arbeit in den letzten Jahrzehnten als für diese Leistung bekommen haben dürfte), aber irgendwie hat man das alles schon zu oft gesehen – und besser, z.B. in Erin Brokovich oder Der Regenmacher.

3+

Dan - Mitten im Leben

Ein Witwer mit drei Töchtern verliebt sich in die neue Freundin seines Bruders. So simpel die Geschichte ist, so nuanciert ist die darstellerische Leistung von Steve Carell und der zauberhaften, von Film zu Film besser werdenden Juliette Binoche. Leider kommen die Nebenrollen etwas zu kurz, und die Geschichte hätte auch ein wenig mehr Humor und ein flotteres Tempo vertragen können, aber man unterhält sich bis zum Ende vorzüglich.

 

3

Lucky # Slevin

Tarantino ist an allem Schuld. Reservoir Dogs und Pulp Fiction haben nicht nur Kultstatus errungen, sondern gleich ein ganzes Subgenre kreiert, und so werden Jahr für Jahr ein paar Gangsterfilme mit schrägen Typen und flotten, zynischen Dialogen auf den Markt geworfen, von denen manche gut sind, viele jedoch nicht, aber alle wollen eines sein: genauso cool wie Tarantino.

Lucky Number Slevin gehört ebenfalls in diese Kategorie und hat mit Bruce Willis immerhin einen Helden aus dem Tarantinouniversum im Gepäck. Morgan Freeman und Ben Kingsley sind ebenfalls keine Unbekannten, und Lucy Liu, Josh Hartnett und Stanley Tucci runden die beeindruckende Cast noch ab. Schauspielerisch kann man dem Streifen nichts vorwerfen, die Darsteller haben sichtlich Spaß an der Freud, die Dialoge sind treffsicher und stellenweise richtig komisch, die Situationen absurd. Wie bei Filmen dieser Art üblich ist die Story ein wenig over the top, ein bisschen märchenhaft, ein wenig wie ein Pulp-Roman (hieß früher Groschenheft) und dazu total verworren. Zweidrittel des Films machen richtig Spaß, aber dann driftet der dritte Akt in eine platte Gangstergeschichte ab, wie man sie zu oft gesehen hat, und verliert obendrein jeglichen Humor. Natürlich muss der Plot wendungsreich und voller Twists sein, aber alles ist viel zu übertrieben und dadurch arg bemüht. Schade, es hätte ein richtig schöner Film werden können ...

 

 

3-

Der versteinerte Wald

Bette Davis spielt in diesem Film von 1936 eine junge Frau, die mit Vater und Großvater eine einsam gelegene Tankstelle und Raststätte in der Wüste betreibt und davon träumt, zu ihrer in Frankreich lebenden Mutter ziehen zu können. Eines Tages taucht ein gescheiterter Schriftsteller (Leslie Howard) bei ihnen auf, der sich ziellos durchs Leben treiben lässt und unterwegs zum Pazifik ist, um sich umzubringen – oder auch nicht. Die beiden verlieben sich ineinander, aber Howard weiß, dass er dem jungen, hoffnungsvollen Mädchen nichts zu bieten hat. Plötzlich erscheint ein von der Polizei gesuchter Gangster (Humphrey Bogart), der an dieser Raststätte mit seiner Freundin verabredet ist und bis zu deren Eintreffen kurzerhand alle Gäste als Geiseln nimmt.

Die Einheit von Zeit und Raum weist auf ein Theaterstück hin (leider hab ich den Vorspann verpasst und kann’s nicht mit Sicherheit sagen), die mitunter gestelzten Dialoge ebenfalls. Das Ganze ist über weite Strecken ein metaphorisches Kammerspiel über geplatzte Träume und Hoffnungslosigkeit und passt gut in die Zeit der großen Depression, driftet gegen Ende aber zu sehr ins Melodram ab. Sehenswert ist der Film allein wegen der Darsteller, die ihre teilweise arg klischeehaften Figuren mit Leben erfüllen, aber leider nicht über einige Längen hinwegtrösten können.

 

20. März 2008

Als Mark G. mich vor einiger Zeit fragte, ob ich nicht eine Kolumne auf InsideKino haben wolle, war mein erster Gedanke: „Wer würde das schon lesen?“ Es ist schön, dass ich mich geirrt habe und die Rubrik so viele Leser gefunden hat, die sich Gedanken darüber machen und mir dies auch hin und wieder mitteilen.

 

Um eines gleich noch einmal klarzustellen: Ich sehe mich nicht als professionellen Kritiker, sondern allenfalls als Insider, der seine (unmaßgebliche) Meinung zu den jeweiligen Filmen abgibt. Außerdem sind Kritiken grundsätzlich sehr subjektiv geprägt – letztlich geht es um Geschmack, über den man sich bekanntlich nicht streiten soll, es aber sehr vergnüglich tun kann. Ich „streite“ mich gern über Filme, weil man dadurch gezwungen wird, genauer über sie nachzudenken, und durch die Sichtweise seines Gegenübers vielleicht sogar Dinge erkennt, die man zuvor nicht wahrgenommen hat.

Dass einige Leser sich über meine Kommentare ärgern, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Wer anderer Meinung ist, kann dies gerne im Forum kundtun – ich werde es mit Interesse lesen, auch wenn ich leider selten die Zeit habe darauf einzugehen.

 

Mein Urteil über Der Krieg des Charlie Wilson hat einige wohl etwas irritiert und ist vielleicht ein gutes Beispiel dafür, einmal zu erklären, wie es zu einer Kritik kommen kann – und dass man die Meinungen von Kritikern auf keinen Fall überbewerten sollte. Ich war an diesem Tag wahnsinnig müde und dadurch unkonzentriert. Mark G. und ich mussten zwei Mal zum Kino gehen, weil der Streifen ausgerechnet an dem Tag zu geänderten Zeiten lief (was unsere Schuld war, da wir das Programm nicht aufmerksam genug studiert hatten). Bei der Vorführung gab es technische Schwierigkeiten, die dazu führten, dass der Ton mehrmals zwischen Original- und Synchronfassung hin- und hersprang, was extrem störend war. Dazu sind mir ein paar witzige Dialoge entgangen, weil ich Probleme hatte, den Dialekt der Darsteller zu verstehen (dasselbe Problem hatte ich übrigens bei Wer früher stirbt, ist länger tot auch). Das wichtigste aber: Mir hat der Film – aus vielen Gründen – einfach nicht gefallen. Außerdem habe ich ihn mit „voll ausreichend“ bewertet, ein Verriss sieht bei mir anders aus. Und vielleicht werde ich ihn bei einer zweiten Sichtung sogar besser beurteilen, es kommt ja oft genug vor, dass man das Potential eines Films nicht gleich erkennt, aber ich glaube, dass ich den Stoff mehr zu schätzen gewusst hätte, wenn er nicht fiktionalisiert worden wäre, sondern wenn man eine Doku daraus gemacht hätte, gerade weil sich die Ereignisse so oder so ähnlich zugetragen haben sollen. Aber auch das ist eben Geschmackssache.

 

Kommen wir zum schwierigsten Punkt: der Unterhaltung. Ich weiß, in gewissen Kreisen ist dieser Begriff geradezu verpönt. Die Frage nach dem Unterhaltungswert ist gewissermaßen die Gretchenfrage in der deutschen Kulturszene, und das gilt ganz besonders für das Medium Film. Ich bin kein Anhänger der Lessing’schen Lehre, die den Nutzen eines Werkes höher bewertet als das Vergnügen, das es bereitet. Für mich ist die Unterhaltung allein aber auch kein „Leitmotiv bei der Bewertung von Filmen“, wie ein Leser meinte.

 

Natürlich kann man es bedauerlich finden, dass der Film primär ein Unterhaltungsmedium ist und im Grunde auch immer war, seit die ersten One-Reeler auf Jahrmärkten gezeigt wurden. Natürlich kann man auch bedauern, dass die meisten Zuschauer zu reinen Konsumenten geworden sind, ändern wird sich daran jedoch nichts. Die meisten (und auch die erfolgreichsten) Filme sind nun einmal Unterhaltungsware. Nehmen wir Transformers. Der Film will unterhalten und nichts als unterhalten – wie soll ich ihn dann anders bewerten als nach seinem Unterhaltungswert (außer vielleicht nach der Qualität seiner Spezialeffekte, die ebenfalls im Mittelpunkt stehen)?

Ein Film, der „nur“ unterhaltsam ist, ist für mich aber nicht zwangsläufig ein guter Film, auch wenn er sein Primärziel voll und ganz erreicht hat. Umgekehrt ist jeder „schwierige“ Film für mich noch lange nicht gut, nur weil er vielleicht handwerklich gut gemacht ist. Aufklärerische Tendenzen sind sicherlich löblich, aber sie allein sind ebenfalls unzureichend. Ich kann einen Film vom Intellekt her ansprechend finden, ich kann seine innovative Kameraführung oder den Bruch mit erzählerischen Konventionen und Sehgewohnheiten loben (wie bei No Country for Old Men), aber das allein ist mir zu wenig.

 

Gute Filme müssen gut gemacht sein, Schauspieler, Regie, Kamera, Buch, Musik – es gibt viele Aspekte, die dabei zu berücksichtigen sind. Gute Filme müssen anders sein, origineller als der Durchschnitt, sie müssen eine andere Bildsprache haben, etwas Neues erzählen (sofern dies überhaupt noch möglich ist), sie müssen überraschen. Gute Filme sollten mich aber auch berühren, entweder durch die einfühlsame Schilderung der Charaktere oder dadurch, dass sie mich dazu bringen, mich mit Themen auseinander zu setzen, über die ich noch nicht viel nachgedacht habe. Gute Filme müssen für mich aber auch unterhaltsam sein, d.h. ich will mich nicht langweilen. Erst wenn all dies gegeben ist, ist ein Film für mich wirklich ein guter Film – und davon gibt es leider nicht sehr viele. Gerade deshalb bin ich bei der Notenvergabe auch relativ streng, zumindest nach der Meinung einiger Leser.

 

Sehr vereinfacht gesagt, gute Filme sollten nicht nur den Kopf, sondern auch das Herz ansprechen. Schlechte Filme sind einfach nur gestohlene Lebenszeit.

Die eigentliche Frage, die sich hinter dieser ganzen Argumentation verbirgt, lautet jedoch wohl eher: Wie viel kann und soll eine Filmkritik leisten? Ist sie lediglich eine Form der Meinungsäußerung oder eher eine Richtschnur für den (intellektuellen) Umgang mit einer Kunstform, für die Einordnung eines Werkes in seinen sozialen und zeithistorischen Kontext? Pi-Jays Corner ist eine Kolumne, in der ich meine Meinung zu Filmen, Serien und der Branche ganz allgemein äußere. Ich bin kein Filmtheoretiker, meine Kritiken sind subjektiv und tagesformabhängig und spiegeln dabei auch meine Interessen, Ansichten und Vorlieben wider. Natürlich kann man sich über meine Äußerungen ärgern, aber – ganz ehrlich – es lohnt sich nicht …

 

24. März 2008

 

Leider nicht auf DVD erhältlich!

2-

Die Verdammten der Meere

Mark G. hat mir diesen Sechziger-Jahre-Streifen sehr ans Herz gelegt. Es ist ein Film unter der Regie von Peter Ustinov, der auch eine Rolle übernommen hat, und die Verfilmung eines Romans von Melville. Natürlich hat er ein maritimes Thema, es geht um Billy Budd, einen jungen, einfältigen Matrosen mit einem lauteren Charakter, der von seinem Handelsschiff wegrekrutiert und auf ein Kriegsschiff gebracht wird. Die Geschichte spielt Ende des 18. Jahrhunderts während des Krieges gegen Frankreich, die Schiffe waren kleine, schwimmende Diktaturen, und auch in diesem Fall gibt es einen sadistischen Offizier, der die Mannschaft bis aufs Blut quält.

Einfühlsam und klug inszeniert, ohne dabei allzu sehr den moralischen Zeigefinger zu erheben, hat Ustinov eine Parabel über gesellschaftliche Missstände geschaffen. Leider hat der Film einige Längen, und mit dem Ende bin ich auch nicht ganz glücklich, aber dank der guten Schauspieler ist der Streifen auch heute noch sehenswert.

 

3

Milagro - Der Krieg im Bohnenfeld

Noch ein alter Streifen, den ich endlich nachgeholt habe. Robert Redfords Film von 1988 erzählt von einem kleinen, armen Dorf, das sich gegen einen Großkonzern behauptet, der in der Nähe ein Luxus-Wellnesscenter errichten will und sich bereits das meiste Land und die Wasserrechte gesichert hat. Als ein Bauer nun trotz des Verbotes beginnt, sein Bohnenfeld zu bewässern und zu bepflanzen, entbrennt ein grotesker Kampf David gegen Goliath.

Die Geschichte ist charmant erzählt, besitzt märchenhafte Züge (z.B. tritt ein mexikanischer Engel auf) und lebt von seinen schrulligen Figuren. Einige Dialoge sind wunderbar witzig, die Regie einfühlsam, aber leider nicht frei von Längen. Eine stärkere Konzentration auf die Figuren oder eine stringentere Erzählweise wären wünschenswert gewesen, dennoch bleibt man mit einem guten Gefühl zurück.

 

4+

Rent

Eine Gruppe junger Künstler kämpft in New York ums Überleben. Es geht um Freundschaft, Liebe, künstlerische und moralische Integrität, aber auch um Aids und den Tod. Nicht unbedingt eine heitere Ich-singe-und-tanze-vergnügt-durch-den-Regen-Geschichte, aber trotz des traurigen Endes auch kein Downer. Musicals leben natürlich von ihrer Musik, und die schlägt hier teilweise recht rockige Töne an, ohne dabei ihre Herkunft von einer Theaterbühne verleugnen zu können. Mir haben die meisten Nummern nicht besonders gefallen, obwohl die Sänger und auch die Inszenierung ganz ordentlich waren. Ist eben Geschmackssache.

 

4

Triff die Robinsons

Eine nette Idee: Ein begabter Waisenjunge mit Hang zu skurrilen Erfindungen trifft einen Jungen mit Zeitmaschine und reist mit ihm in die Zukunft, wo er auf eine verrückte Familie trifft. Die Umsetzung ist jedoch ziemlich schwach, die Geschichte stolpert von einer grotesken Nummer zu nächsten und fängt sich erst in den letzten Minuten wieder. Das größte Problem ist jedoch der Bösewicht, der überhaupt nicht erst zu nehmen ist. Leider nur einigermaßen erträglich und kaum witzig.

 

4

Spartan

David Mamet macht kein gefälliges Theater/Kino, und das ist auch gut so. Spartan ist seine Version eines Thrillers, in dem die Tochter des Präsidenten entführt und zum Opfer politischer Machtspiele wird. Val Kilmer spielt den Geheimagenten, der sie befreien will und dabei mitten in die Intrigen seiner eigenen Leute gerät. Das Ergebnis ist leider nicht sehr spannend, unnötig kompliziert und stellenweise schlecht erzählt. Man hat Mühe, den verworrenen Handlungsfäden zu folgen, herauszufinden, wer eigentlich wer ist und welche Ziele er verfolgt, und eigentlich ist es einem auch egal. Dazu wartet Mamet mit einigen Behauptungen auf, die nur sehr schwer zu schlucken sind, belohnt aber mit einem netten, zynischen Ende.

 

3-

When the Levees Broke

Spike Lees Doku über den Hurricane Katrina schildert nahezu ausschließlich die Berichte Überlebender dieser Katastrophe und prangert dabei die vielen Fehler und Versäumnisse der Regierung an – sowohl was die Prävention und den Dammbau im Vorfeld betrifft als auch die erschreckend inkompetenten und mangelhaften Hilfsmaßnahmen nach der Flut. Viel zu späte und vollkommen unzureichende Rettungsaktionen und Hilfsmaßnahmen, das komplette Versagen des Katastrophenschutzes, der Zynismus der Regierenden  - das meiste kannte man schon aus den Medien, aber die Erlebnisse aus der Sicht der Betroffenen nachzuvollziehen, macht alles viel greifbarer und unmittelbarer.

Teilweise ist diese über vier Stunden lange Doku ungeheuer bewegend, teilweise macht sie einen wahnsinnig wütend. Aber sie hat auch einige Schwächen: Lee wiederholt sich oft, reiht einen Opferbericht an den anderen, ohne dabei diejenigen zu Wort kommen zu lassen, deren Versagen er anprangert. Es wäre schön gewesen, auch die Berichte der Hilfskräfte zu hören, der Polizei, Feuerwehr oder eines Arztes in einem Krankenhaus. Doch Lee schildert vor allem das Schicksal der Farbigen und macht wieder einmal deutlich, wie weit verbreitet der Rassismus in den USA ist und wie sehr er auch das Handeln der Politik bestimmt. Damit hat er natürlich recht – obwohl gerade in diesem Fall deutlich wird, dass die Menschen von ihrer Regierung vor allem deshalb im Stich gelassen wurden, weil sie arm waren (und das sind nun mal eben die meisten Farbigen).

 

30. März 2008

 

3

Die Schwester der Königin

Die Tudors und kein Ende. Diesmal stehen (wieder mal) die Boleynschwestern und Heinrich VIII. im Mittelpunkt, wobei sowohl die literarische Vorlage als auch der Film historisch so korrekt sind wie Emmerichs 10.000 B.C.. Die erste Hälfte der Geschichte ist gut gelungen, hier geht es um die Machtspiele und Intrigen einer Familie, die dem König ihre Töchter als Mätressen anbietet als wären es reife Feigen, die man ihm zum Dessert kredenzt. Die Kamera, die sich immer wieder hinter Gittern, Vorhängen oder angelehnten Türen verbirgt, fängt dabei die Heimlichkeiten geschickt und voyeuristisch ein, Scarlett Johanson (als Mary) und Natalie Portman (Ann) agieren wunderbar, und auch Kristin Scott Thomas als ihre Mutter besticht mit einer großartigen Performance.

Im zweiten Teil häufen sich dann die Schwächen: Ann rückt immer mehr in den Mittelpunkt, aber leider kann man sich für dieses intrigante, gefühllose Miststück kein bisschen erwärmen, während die tragische Mary, bei der alle Sympathien liegen, fast völlig von der Bildfläche verschwindet. Die Geschichte will viel zu viel, sie schildert den Machtkampf der Familie, die politischen Verwicklungen, die zur Loslösung von Rom und Gründung der englischen Staatskirche führen, den Aufstieg und Niedergang Anns, die Königin wird und am Ende in Ungnade fällt. Die Regie wird leider nicht einem Punkt davon wirklich gerecht, die Ereignisse überstürzen sich, Motive und Absichten bleiben undurchsichtig, manche Handlungsstränge sinken dabei fast auf das Niveau einer Seifenoper. Das größte Problem für mich war jedoch, dass weder Buch, noch Regie, noch Erik Bana als Heinrich VIII. die leidenschaftliche, beinahe schon verhängnisvolle Liebe des Königs zu Ann wirklich glaubhaft vermitteln können.

 

2-

Unternehmen Petticoat

Im Gegensatz zu Mark G. bin ich kein großer Fan von Blake Edwards, weshalb ich Unternehmen Petticoat bisher noch nicht kannte. Leider, kann ich nur sagen, denn der Film über einen Kommandanten (Cary Grant), der darauf brennt, in den gerade ausgebrochenen Zweiten Weltkrieg zu ziehen, und verzweifelt versucht, sein völlig marodes U-Boot flott zu kriegen, ist ungemein witzig. Das Tempo ist mir – wie immer bei Blake Edwards, allerdings für jene Zeit (1959) auch nicht gerade ungewöhnlich – zwar ein wenig zu langsam, aber dafür besitzt der Film herrlich pointierte Dialoge („Mit diesem Gesicht könnten wir den Krieg verlieren.“). Grants stoische Miene angesichts der zahlreichen Katastrophen ist köstlich, der Einfaltsreichtum enorm – neben fünf weiblichen Sanitätsoffizieren, etlichen Schwangeren und einer Ziege, die auf dem Boot landen und für Turbulenzen sorgen, gibt es noch die üblichen amourösen Verwicklungen und ein paar wirklich gelungene Gags. Abgesehen von Grant ist die schauspielerische Leistung der Cast jedoch eher mittelmäßig, und auch eine Anleihe an Lubitsch (oder sollte es eine Hommage sein?) wirkte eher befremdlich, doch alles in allem ist es eine wunderbare Komödie.

 

3-

Lady Henderson präsentiert

Ein netter, sehr britischer Film über eine verwitwete Lady, die als Hobby ein Revuetheater betreibt und als erste nackte Mädchen auf die Bühne bringt. Lady Henderson und ihr Theater hat es in den 1930er Jahren wirklich gegeben, und genau das ist ein Problem: Im Grunde ist das Ganze nur eine kleine historische Anekdote, die auf Spielfilmlänge aufgeblasen und mit zahllosen Revuenummern gestreckt wurde. Gerade dadurch ergeben sich in der Mitte zahlreiche Längen, die ein bewegendes Ende nur teilweise wieder wettmachen können. Das erste Drittel ist jedoch mit seinen witzigen Dialogen absolut sehenswert und lebt allein von Judy Dench und Bob Hoskins.

 

4-

Das Mädchen aus dem Wasser

Shyamalan schafft es immer wieder, einen mit seinen Trailern neugierig zu machen und dann mit den Filmen zu enttäuschen. Abgesehen von The Sixth Sense war alles mehr oder weniger schwach, und nachdem über Das Mädchen aus dem Wasser nur schlechtes zu hören war, wollte ich ihn zuerst auch nicht sehen. Aber neugierig war ich dann doch …

Ums kurz zu machen: Er ist nicht die Katastrophe, die andere in ihm sehen, was vielleicht auch an meinen sehr geringen Erwartungen lag. Die Idee, eine Gutenachtgeschichte Wirklichkeit werden zu lassen, ist ganz nett, es hapert jedoch entschieden an der Umsetzung. Vieles ist nicht richtig durchdacht und lieblos zusammengeschustert, einige der unzähligen Figuren sind völlig überflüssig, und zum ersten Mal fand ich Shyamalans Regie stellenweise richtig schlecht. Trotzdem kann man dem Film durchaus einige magische Momente abgewinnen.

 

3

Die Super Ex

Auch eine im Grunde schöne Idee, deren Umsetzung nicht ganz gelungen ist. Ein Normalo (Luke Wilson) verliebt sich in eine Superheldin (Uma Thurman), trennt sich nach einigen Schwierigkeiten von ihr – und bekommt ihre ganze Wut zu spüren. Das größte Problem in der Geschichte sind die Charaktere, die flach und eindimensional wirken und die der Autor einfach nicht ernst genommen hat. Uma Thurman ist eine dermaßen gestörte Nervensäge, dass man kaum Sympathien für sie entwickelt, und Luke Wilson agiert zu schlafmützig, um großes Interesse zu wecken. Ein paar gelungene Gags und ein ganz nettes Ende entschädigen einen zwar ein bisschen, aber man hätte so viel mehr aus dem Stoff herausholen können.

 

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