Last Update: 23.06.10 |
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LIEBE FILMVERLEIHER!
7. Februar 2005 Liebe Filmverleiher,
manche von Euch haben meine letzten Zeilen vom 25. Dezember sogar gelesen, trotzdem sehe ich mich genötigt, schon wieder ein paar Zeilen an Euch zu richten. Denn ich will Euch unbedingt noch auf das Blutbad & Gemetzel hinweisen, dass ich Mitte des Jahres auf uns zukommen sehe. Und ich komme jetzt darauf zu sprechen, da ich von meinen ehemaligen Kinokollegen schon jetzt mitbekomme, dass sie von Euch unter Druck gesetzt werden, auch ja die richtigen Filme zu spielen.
Hier erst mal eine kleine Übersicht und meine eigenen Erfolgs-Einschätzungen:
Habt Ihr die Tabelle auch richtig angesehen?
Wenn ja, dann klärt mich doch bitte auf, wie viele Orte es in Deutschland mit nur 1-4 Leinwänden gibt (wobei natürlich selbst in Orten mit fünf Leinwänden ein Film von diesen fünf Top-Titeln im kleinsten Saal laufen muss)? Außerdem würde ich gerne von Euch wissen, wie viele große Säle es in Multiplexen gibt (gehen wir mal von einem 9er-Plex aus, dann sehe ich da einen 500-Platz Saal, zwei bis drei 250-Platz-Säle und die restlichen Säle mit je 150 Sitzen)? Zudem möchte ich noch darauf hinweisen, dass der Durchschnitts-Deutsche etwa 1,9x im Jahr ins Kino geht - und zwar auf zwölf Monate verteilt...
Bei drei dieser fünf Filme kann ich ja verstehen, dass sie u.a. aus Pirateriegründen nahezu zeitgleich mit dem US-Start Premiere feiern, aber zwei dieser Filme starten Wochen später als in Amerika...
Kommen wir zu Schritt 2:
Ich gebe ja zu, dass der Termin am 26.5. etwas ungünstig ist, da dies die zweite Woche von Star Wars - Episode III ist, aber was ist falsch am 2.6. oder 9.6.? Jedes Wöchlein entzerrt und sorgt dafür, dass auch in kleineren Orten alle Filme laufen können. Zudem zur Erinnerung: Star Wars - Episode II hatte knapp 70 % seiner Besucherzahlen in den ersten 14 Tagen.
Kommen wir zu Schritt 3:
Ich als Unparteischer möchte zur Lösung des Problems beitragen, da ich es Euch nicht zutraue (Ihr leidet unter dem Sabine Christiansen-Syndrom: Während der Sendung erkennen alle Politiker, was zu tun ist, trotzdem kann man sich sicher sein, dass spätestens ein Jahr danach eine weitere Sendung mit identischem Thema folgen wird).
Das Naheliegendste wäre natürlich, wenn die UIP Madagascar vorverlegen würde, schließlich ist das der einzige Verleih mit zwei Blockbustern in diesem Zeitraum. Aber die UIP hat sich im Laufe der Jahrzehnte einen gewissen Ruf hart erkämpft und ein Nachgeben in diesem Punkt würde nicht diesem Ruf entsprechen (und DreamWorks scheint ja wohl keine Probleme damit zu haben, dass die zwei wichtigsten Produktionen des Studios in diesem Jahr im Abstand von acht Tagen starten).
Also schlage ich folgende Lösung vor:
Mit dieser Aufteilung hätte jeder Film Chancen, wenigstens eine Woche lang den größten Saal eines Ortes oder Multiplexes zu belegen, und Episode III hätte - nach Episode II-Vorbild - schon über 80 % des Gesamtergebnises (in drei Wochen) abgegrast.
Aber neben den oben genannten Gründen hat diese Entzerrung noch einen weiteren wichtigen gesamtwirtschaftlichen Aspekt:
Stellen wir uns den Super-GAU vor: Was wäre, wenn ausgerechnet in den vier Wochen vom 16.6.-13.7. die Temperaturen konstant auf 35 Grad steigen? Das 25 Mio.-Besucherpotenzial würde auf die Hälfte schmelzen. Eine Entzerrung mindert dieses Risiko, denn eine sechswöchige Hitzewelle ist nun einmal in unseren Gefilden unwahrscheinlicher als eine vierwöchige...
Liebe Filmverleiher, heute schreiben wir den 7. Februar, bis zum Halbjahreswechsel ist noch ein bisschen Zeit, noch könnt Ihr das Ruder herumreißen. Ich bin mir sicher, jeder Kinobesitzer und auch die Zuschauer würden es Euch danken...
In diesem Sinne auf ein (möglichst bald) tolles Kinojahr 2005!
Euer Mark G.
P. S. Ausreden wie "zu diesem Termin funktioniert ein Film nicht" lasse ich nicht gelten. Wenn Ihr wollt, kann ich für jede der 52 Wochen einen erfolgreichen Filmstart nennen.
Überraschung am 8. Februar: WB verlegt den Start von Batman Begins auf den 16.6.05, Constantin verlegt den Start von Die fantastischen 4 auf den 14.7.05 (der US-Start wurde auf den 8.7. verschoben). Überraschung am 10. Februar: BV verlegt den Start von Per Anhalter durch die Galaxis auf den 9.6.05. |
Achim L. meint:
Hallo Mark,
wäre schön, wenn deine Worte irgendwas bewirken würden. Die Terminierungspolitik
der Firmen ist ja jetzt schon seit Monaten kurios. Man fragt sich, wodurch
eigentlich mehr Schaden entsteht. Durch die Raubkopierer oder den Versuch der
Filmindustrie, die Deutschen den Sommer als Filmmonate aufzuzwingen. Dabei gehen
die Deutschen halt im Sommer weniger ins Kino, sondern lieber "raus". Die
nationalen Kinovorlieben sind den Verantwortlichen aber offenbar ganz egal und
das, obwohl man immer wieder die Quittung dafür kriegt. Das ist aber egal, den
am Ende hat man ja Gott sei Dank immer wieder die Raubkopierer, auf die man
alles abschieben kann. (Um das klarzustellen, ich will das Problem der
Kopiererei nicht schmälern, aber man muss erkennen, dass sich die Industrie auch
viele Probleme selber schafft)
Grüsse
Wolfgang D. meint:
Hi Mark,
ein wirklich toller offener Brief, mein Kompliment!
Zu der eMail von Achim will ich sagen, dass ich es verstehen kann und auch begrüße, dass versucht wird, den Sommer auch bei uns als „Blockbuster“-Saison zu etablieren. Zum einem gehe ich an einem Sommerabend auch gerne mal ins Kino (zumal die Zahl der sonnigen, heißen tage bei uns ja doch sehr begrenzt ist) und zudem will ich große Filme nicht erst ein viertel Jahr später sehen. Das Ergebnis von der langen Warterei kann man sich ausmalen: Im Internet kreisen an allen Ecken diverse Raubkopien (nach gewisser Zeit auch als einwandfreier DVD-Rip) und auch der legale Cineast kann über Versandhändler wie www.cd-wow.de günstig und bequem auf die in den USA bereits erschienen DVDs zurückgreifen.
Aktuelles Beispiel ist „The Grudge“. Der Film, der in den USA an Halloween richtig erfolgreich lief findet erst jetzt den Weg in unsere Kinos. Mich hat er interessiert, ins Kino werde ich deswegen jetzt dennoch nicht mehr gehen. Stattdessen habe ich mir die DVD geholt, die bereits in allen Regional Codes (1, 2 und 3) preiswert zu haben ist.
Viele Grüße
Achim H. meint:
Hallo Mark
Du sprichst mir aus dem Herzen!
Um auf Achim L. und dich zu reagieren.
Von der Warte eines Kinobesitzers aus, ist es schon schade das die Verleiher
mit ihren Blockbustern immer mehr in den Sommer drängen und
auch gedrängt werden. Aber wie will man den Kinobesuchern den Besuch in
diesen Sommermonaten noch schmackhafter machen. Ich hätte da die Option
eines Open-Airs anzubieten, die einen gewissen Ausgleich schaffen würde in
Beziehung auf dicht-gedrängte Termine und Sallgrösse. Leider habe ich die
Erfahrung gemacht, das die Verleiher große Angst haben einen Start-Film (Blockbuster)
in einem Open-Air laufen geschweige denn anlaufen zu lassen. Egal ob der
Open-Air-Macher den Film in seinem ‘normalen’ Kino mitspielt oder nicht.
Sie haben einfach große Angst das die Konkurrenz vor Ort, meistens
Multiplexe, diese Filme boykottieren. Was natürlich verständlich ist. Wer
geht schon gerne in ein eiskaltes Multiplex, wenn die Option eines
angenehmen Open-Airs besteht. Aber dann müssten eigentlich die
Multiplex-Betreiber auch einen Druck auf die Verleiher ausüben, um den
Terminplan etwas zu entzerren. Was meiner Meinung nach auch geschehen und
seine Früchte tragen wird. Aber falls es bei dieser Terminierung in diesem
Jahr bleiben sollte, dann ist es doch im Interesse der Verleiher, so schnell
wie möglich und in so vielen Kinos wie möglich eine breites Publikum zu
akquirieren. Mit ‘breites Publikum’ meine ich natürlich auch die zahlreichen
Open-Air Liebhaber. Und das sind nicht wenige. Ich würde sogar behaupten das
Open-Air Kinos größer Kapazitäten anbieten und ein breiteres Publikum
ansprechen, als manches Multiplex vor Ort. An dieser Stelle würde ich gerne
auf einen der vielen tollen Filme in diesem
Sommer zu sprechen kommen: ‘Madagaskar’. Kann sich einer der dies hier liest
vorstellen, das dieser Film nicht in einem Open-Air laufen soll.
Ich nicht!
Hiermit appelliere ich auch an die Verleiher:
Habt keine Angst mehr Kapital aus euren Filmen zu schlagen, geht nach
draußen!
Amerika wird es euch danken.
Achim L. meint:
Hallo,
ich muss noch einen Nachtrag liefern zur Meinung von Wolfgang D.. Es bleibt
natürlich jedem selber überlassen, ob man Filme lieber im Kino sieht, oder
ob es einem reicht, die Filme auf DVD zu sehen. Wenn man aber der
Argumentation von Herrn Wolfgang D. folgt, hätte das Kino bei uns ja
überhaupt keine Daseinsberichtigung mehr. Wenn ein interessanter Film bei
uns erst ein paar Monate später läuft und ich will ihn sehen, gehe ich nicht
mehr ins Kino, sondern bestelle ihn mir auf DVD? Wo ist denn da die Logik.
Ich sehe mir Filme halt lieber auf der großen Leinwand an.
Grüsse
Wolfgang D. meint:
Das ufert zwar in eine Diskussion aus, aber egal :)
Zum Kommentar von Achim L.:
Ich selber gehe durchschnittlich 50 Mal pro Jahr ins Kino, dabei lieber in kleinere Häuser als große Ketten – nur so viel zu meiner Einstellung Kinos gegenüber.
Letztlich gehe ich aber des Filmes wegen ins Kino. Und wenn dieser fast vier Monate braucht bis er auch endlich mal zu uns kommt, dann ist mir das ganz einfach zu lange. Es ist ja keine Neuheit mehr, dass DVDs an der Existenz von Kinos schrauben. Nicht umsonst werden Filme wie „Die Kühe sind los!“, die bereits wenige Wochen nach dem Kinostart auf DVD erscheinen, von vielen Kinos boykottiert. Die Zeiten von matschigen VHS-Bildern und mieser Ton- und Bildqualität sind vorbei und der Filmgenuss ist heute mehr denn je auch in den eigenen vier Wänden bequem möglich.
Beispiel „House of Sand and Fog”. Der Trailer weckte damals bei mir großes Interesse, und ich war richtig auf den Film gespannt…das war im Herbst 2003. Am 17. Februar 2005 (!) kommt er jetzt in die deutschen Kinos. Bei solchen Verzögerungen kann man gerade in einer zunehmend weltweit vernetzten Welt nicht mehr davon ausgehen, dass nach weit über einem Jahr Wartezeit noch großes Interesse herrscht.
Viele Grüße
Agent K meint:
Hey Ho,
ist ja eine muntere Diskussion, die hier angelaufen ist! Und es wird auch munter geschossen - leider nur in eine Richtung! Und da ich jetzt einfach mal unterstelle (hoffentlich zurecht), dass die Verantwortlichen der Filmverleiher nicht grundsätzlich mit dem Klammerbeutel gepudert wurden, könnte es ja auch sein, dass es einige Zwänge und Notwendigkeiten gibt, von denen ich als reiner 'Kinokonsument' einfach nichts weiß, die aber sehr wohl einige der fragwürdigen Entscheidungen rechtfertigen. Ihr Verleiher seid also aufgerufen, euch an dieser offenen Diskussion zu beteiligen! Ihr habt es hier zwar nicht grundsätzlich mit Branchenkennern und kino-internen Entscheidungsträgern zu tun aber auf jeden Fall mit Leuten, die das Kino lieben! Ja eigentlich sind wir sogar DIE Menschen, für die ihr angeblich euren Job macht, nämlich das Kinopublikum! Warum also massig Kohle in Marktforschung und Werbung stecken, wenn ihr hier kostenlos und ohne Formulare ehrliche Meinungen und Wünsche einholen könnt? Und ihr könntet damit auch endlich mal dem ständigen Vorwurf begegnen, alles über die Köpfe der Konsumenten hinweg zu entscheiden! Also los! Oder sollten euch tatsächlich die Argumente fehlen, um in dieser Diskussion bestehen zu können? Oder seid ihr einfach nur ängstlich? Ich bin mal gespannt, ob sich jemand traut...
Achim L. meint:
Hallo,
es geht bei der Diskussion ja nicht um die kleinen Filme oder auch die
Filme, die dauernd verschoben werden, weil sie entweder zu schlecht sind
oder nur eine kleinere Besuchergruppe ansprechen und man deshalb keinen
Starttermin für sie findet. Hier geht es ja vor allem um die Blockbuster.
Und gerade damit diese auch den maximalen Erfolg erzielen können, wäre
es von Vorteil, auch auf die nationalen Kinogewohnheiten zu achten. Das
dabei ein Film der in den USA im Sommer startet, bei uns im Herbst läuft
ist, glaube ich, vertretbar. Es lag nicht in meiner Absicht, Herrn
Wolfgang D. anzugreifen. Falls das so gewirkt hat, tut mir das leid. Für
mich ist nur das Betrachten eines Films im Fernsehen (selbst bei bester
Ausstattung) nicht mit dem Erlebnis im Kino zu vergleichen, das ist
alles.
PS
Ich bin wohl leider etwas vom Thema abgekommen, denn es geht ja nicht um
die Probleme des Kinos in unserer Zeit, sondern um die Terminpolitik der
Verleiher (tut mir echt leid).
Grüsse
Wolfgang D. meint:
Gerade bei den großen Blockbustern würde es absolut keinen Sinn machen zu warten. Durch das Internet, auf das immer mehr Menschen Zugriff haben, sind die Kinogänger weltweit über die aktuellen Filme informiert – und wenn in den USA diese im Sommer laufen, dann werden die wenigsten warten bis er an Weihnachten zu uns kommt. Bis dahin gibt es nun mal eben die DVDs und Rips problemlos überall zu haben. Und gerade in Schulen wird mit gebrannten DVDs und VCDs gehandelt bis zum umfallen – die sind aber eine wichtige Gruppe der Kinogänger. Die Zeiten, in denen Deutschland unabhängig von den USA planen kann sind beim besten Willen vorbei. Dem sollte man meiner Meinung jedoch auch als Kritiker etwas Positives abgewinnen können. Gerade deutsche Produktionen, die dann eben bevorzugt im Herbst starten sollten, haben bessere Chancen auch lukrative Einnahmequellen zu werden.
Und auch wenn einen all das noch kalt lässt: Was ist das Problem am Sommer? Schüler haben Ferien und viel Zeit ins Kino zu gehen, ein durchschnittlicher Urlaub dauert eine bis höchstens zwei Wochen (so dass der niemanden davon abhält einen Film zu sehen) und das Wetter bei uns ist meistens eher feucht. Wir dürfen da nicht immer den Jahrhundertsommer 2003 als Maß aller Dinge nehmen. Aus meteorologischer Sicht war der Sommer 2004 Durchschnitt – und wie sommerlich „heiß“ es da war, dürfte uns ja allen noch in Erinnerung sein. Außerdem ist es nun ja wahrhaftig nicht so, dass man nur bei Schnee und Minusgraden ins Kino gehen kann.
PS: Ich habe es nicht als Angriff gewertet – das ist lediglich eine fruchtbare Diskussion :)
Dann noch eine kleine Anmerkung zu den FFA-Zahlen:
Ich denke, dass sich das Problem des Besucherrückgangs mittelfristig noch drastisch verschärfen wird. Grund dafür ist weniger die qualitative Situation der Filme, sondern die Demographische. Durch den dramatischen Geburtenrückgang seit Jahrzehnten und der damit verbundenen Schrumpfung der Kernzielgruppe (und diese ist nun mal nicht über 50), dürfte es in den kommenden Jahren noch weiter zu einem ziemlichen Sinkflug kommen.
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