Last Update: 23.06.10 |
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PI-JAYS MUTANTENSTADL
Sommer 2003: Mutanten an die Macht!
Was ist nur los in diesem Sommer? Da sitzt man im Kino und freut sich auf X-Men 2, dem ersten Vorboten des Kinosommers in der Gestalt eines Popcornfilms – und reibt sich plötzlich verwundert die Augen: Der erste Trailer flimmert über die Leinwand und wirbt für die langerwartete Fortsetzung von Matrix, dann folgen die Vorspänner von Hulk, Terminator 3, Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen und Hero, und unwillkürlich fragt man sich: Gibt es denn nur noch Filme über Mutanten?!!
Zugegeben, im Umfeld von X-Men für intellektuelles Arthousekino oder einen zarten Liebesfilm zu werben, macht wenig Sinn. Popcornkino ist laut, actionorientiert und explosiv, und dafür lieben wir es. Hey, es macht einfach Spaß, sich gemütlich zurückzulehnen und zuzusehen, wie die Welt in Trümmer geht, ganz gleich ob es nun durch die Hand von Aliens geschieht oder unter den Füßen von Dinosauriern.
Hollywood befriedigt da ein uraltes Menschheitsbedürfnis, und meistens geht es dabei um den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse. Jede Zeit hatte ihre Helden, die außergewöhnlich stark, clever und mutig waren, und verewigte sie in Geschichten. Früher hießen sie Herkules, Odysseus oder Siegfried, und man nannte sie Übermenschen, weil sie eben Dinge konnten, die ein Normalsterblicher nicht vermochte.
Aber nicht nur in der Literatur, auch im Film sind Helden Spiegelbilder ihrer Zeit. In den Achtzigern dominierte der physisch betonte Typus, der sich auf martialische Art durch eine Gangsterstory kloppte und damit eine Männlichkeit verteidigte, die in der Gesellschaft längst auf dem Rückzug war. In den Neunzigern, nachdem Feminismus und political correctness ihre Spuren hinterlassen hatten, wurden die Helden weicher, bekamen eine emotionale Seite und – bisher ein Paradox – so etwas wie eine psychologische Charaktergestaltung. Eine neue Heldengeneration war herangewachsen und hatte sich etabliert, und das Publikum war die testosteronstrotzenden Helden von einst leid. Abgesehen davon hatten Arnie, Sly und Konsorten inzwischen ein Alter erreicht, das ihr früheres Image konterkarierte. Wer will schon prügelnde Rentner sehen?
Aber eines hatten all diese Helden wenigstens gemeinsam: Sie waren menschlich. Natürlich braucht es, um die riesige Leinwand zu füllen, überdimensionale Charaktere, und im Jahrzehnt der starken Männer sahen Bruce Willis, Arnold Schwarzenegger, Jean-Claude Van Damme oder Sylvester Stallone mit ihren muskelbepackten Oberkörpern zwar wie Halbgötter aus, doch ihr Blut war echt, und es floss manchmal reichlich. Wie die Helden der Antike leisteten auch sie schier Übermenschliches, und so unrealistisch ihre Taten oder die Pläne ihrer Gegner auch sein mochten, die Filme erweckten immerhin den Anschein, als würden sie in unserer Welt spielen. Sie kämpften gegen Terroristen, Entführer oder andere Erzschurken, die die Welt bedrohten.
In diesem Sommer scheint diese Art von Held jedoch in der Minderheit zu sein. Neue Helden braucht das Land, und da in Hollywood schon immer gerne geklotzt und nicht gekleckert wurde, müssen es jetzt eben Superhelden sein. Es hat sie auch früher schon gegeben, zumeist in Comics und später dann vereinzelt im Kino (Superman) oder im Fernsehen (Batman), aber es waren nur wenige. Woher kommt diese plötzliche Inflation?
Eine Erklärung ist sicherlich der Erfolg der Comicreihen, die über eine große Fangemeinde verfügen, ihre eigenen Geschäfte und Internetforen haben und vor allem das Zielpublikum des Popcornkinos ansprechen. Was liegt also näher, als die Helden dieser beliebten Serien zu nehmen und sie auf der Leinwand zum Leben zu erwecken?
Nach den Klassikern, Superman und Batman (mit und ohne Robin, Catwoman und Konsorten), kamen all die anderen, mal mit mehr, mal mit weniger großem Erfolg: Spider-Man, Das Phantom, Daredevil, die X-Men, Shadow, Blade, und ein Ende ist scheinbar nicht absehbar. In 2004 sind es Hellboy, The Punisher und Die fantastischen Vier, die das Licht der Leinwand erblicken werden.
Solange auf wenige Flops einige Megaerfolge kommen, wird es auch Superhelden geben, denn der Marvel-Verlag weiß genau, wie viele Nullen die Million hat, er kennt den Geschmack der Fans und kann auf einen riesigen Fundus von Geschichten zurückgreifen. Außerdem greift bei vielen Filmen das unerbittliche Gesetz Hollywoods und verdammt den Erfolg zur Serie: Nachdem Superman und Batman bereits Serienreife erlangt haben, kommt nächstes Jahr Spider-Man 2 in die Kinos, und die X-Men werden wir bestimmt auch noch einmal wiedersehen.
Abgesehen davon darf man nicht vergessen, dass Erfolge nicht nur gerne fortgeführt werden, sondern auch beliebte Neben-Charaktere ihren eigenen Film bekommen: Elektra, ein Spin-Off von Daredevil, ist bereits in Planung, und Catwoman hat bereits nächstes Jahr ihren ersten Soloauftritt.
Ein zweiter Grund für die Mutantenschwemme dieses Jahr ist mit Sicherheit auch in der Weiterentwicklung der digitalen Technik zu suchen. Inzwischen ist immer mehr möglich, was zuvor undenkbar schien. Die Effekte werden immer besser, was nicht nur den Schauwert bei Explosionen erhöht, sondern auch die Kampftechnik der Helden revolutioniert hat. Matrix war hier wegweisend und hat uns ganz neue Dimensionen geöffnet: Batman hat nur geboxt, aber Neo kämpft gleich auf mehreren Ebenen, und Daredevil hebt gar die Gesetze der Schwerkraft auf.
Das alles lässt uns staunen und schlägt uns in seinen Bann. Aber trotz aller Effekte, trotz der neuen Superhelden, die über gottgleiche Kräfte verfügen und Dinge tun, die man noch nie zuvor gesehen hat, lässt sich eines nicht verleugnen: Der Erfolg steht und fällt meist mit der Geschichte. Wenn uns ein Held nicht berührt, wenn wir – trotz seiner Macht – nicht um ihn bangen, dann ist er es nicht wert, dass wir uns seine Geschichte ansehen.
Spider-Man war so gut, weil er von einem Jungen erzählt, der so ist wie wir, der von anderen gehänselt und ausgestoßen wird, ein Waisenjunge, der um seinen Ziehvater weint, der sich unsterblich in ein Mädchen verliebt, das er nicht erreichen kann. Er war, obwohl mit Superkräften ausgestattet, nur ein Mensch. Auch die X-Men spielen die Außenseiterkarte geschickt aus, sie werden verfolgt und gejagt, und deshalb mögen wir sie. Wolverine zeigt Gefühle, er liebt und ist uns deshalb so nah.
Abgesehen davon erfüllen all diese Helden noch ein ganz anderes Bedürfnis: Sie sind mächtig, und sie sind moralisch, sie kämpfen für eine bessere Welt, auch wenn ihre Abenteuer in seltsamen Paralleluniversen oder in weiter Zukunft spielen. Angesichts einer Realität, die immer komplexer wird, die uns täglich mit neuen Ängsten erfüllt und mit Bedrohungen konfrontiert (muss ich den 11. September erwähnen, den Irakkrieg oder SARS?), geben sie uns Halt und den Glauben an Stärke. Wenigstens in unseren (Kino-)Träumen gibt es jemandem, der all diesen und noch viel schlimmeren Problemen gewachsen ist und der dennoch mit den vielen kleinen Tücken des Lebens zu kämpfen hat. Ja, es sind Mutanten, Superhelden, aber in ihrer Brust schlägt ein menschliches Herz.
Okay, 2003 wird also das Jahr der Mutanten. Aber mit welchen Mutantentypen haben wir es zu tun? Wie originell sind die Stoffe? Mit welchen Superkräften warten die Helden auf? Und will man das überhaupt sehen?
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Matrix Reloaded und Revolution – der digitale Mutant Neo und seine Mitstreiter sind nur in der digitalen Welt der Matrix Superhelden, ansonsten aber Normalsterbliche, die lieben, hassen und verfolgt werden, mit denen wir zittern und bangen. Teil 1 war ein Feuerwerk an Ideen und eine tricktechnische Revolution, aber die Effekte wurden seitdem so oft und teilweise unpassend eingesetzt, dass sie viel von ihrer Frische und Kraft verloren haben. Hoffen wir, dass die Macher uns aufs Neue überraschen und beeindrucken werden. Die beiden Filme könnten das Zeug dazu haben, das Mega-Event des Jahres zu werden – obwohl Neo ein wenig zu sehr an Jesus Christus erinnert und die Wachowskis bisweilen zu Manierismen neigen. |
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Hulk – der klassische Comic-Mutant Ach ja, die gute alte Radioaktivität. Sie ließ in der Filmgeschichte schon Menschen schrumpfen oder unsichtbar werden, und sie verleiht nun einem Durchschnittstypen Megakräfte. Leider verwandelt sie ihn auch in einen hässlichen, aggressiven, grünen Riesen ... Interessant ist die psychologische Komponente – der Held wird nur dann zu Hulk, wenn er wütend wird. Der Trailer war leider enttäuschend, die digitalen Effekte wirkten armselig, Hulk sah sehr künstlich aus und wirkte wie ein schlecht gelaunter Cousin von Shrek, und als wäre das noch nicht schlimm genug, müssen wir auch noch die hölzerne Schauspielermutantin Jennifer Connelly ertragen ... |
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Terminator 3 - Rebellion der Maschinen – der maschinelle Mutant Der Teaser sah, sagen wir es mal ganz offen, ziemlich beschissen aus, aber der neue Trailer ist besser als befürchtet. Vielleicht wird so doch noch was aus dem Film, wenn viele ihn auch eher aus nostalgischen Gründen werden sehen wollen. Aber kommt dieser Film nicht viele Jahre zu spät – und haben wir die Geschichte vom Aufstand der Maschinen nicht schon besser, wenngleich in anderer Form, bei Matrix gesehen? |
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Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen – die viktorianischen Mutanten Der Trailer sieht aus wie das Treffen sämtlicher literaturhistorischer Mutanten: Jekyll/Hyde, der Unsichtbare, eine Vampirin ... – und das Ergebnis erinnert an einen Alptraum von Jules Verne. Wenn über allem nicht der abgeklärte Witz und augenzwinkernde Charme eines Sean Connery läge und Stephen Norrington mit Blade nicht bereits ein Händchen für Comicverfilmungen bewiesen hätte, könnte man das Machwerk sofort zu den Akten legen. |
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Hero – der historische Mutant Wie oft wollen uns die Chinesen denn noch die Geschichte ihres ersten Kaisers und seiner Attentäter erzählen? Beeindruckend sieht es zwar schon aus, wie die Helden in Tiger-&-Dragon-Manier durch die Lüfte wirbeln und die Schwerter schwingen, aber chinesische Epen verlangen vom Zuschauer auch die Geduld eines buddhistischen Mönches und das Sitzfleisch eines Helmut Kohls. (Am Rande bemerkt: Warum sieht man neuerdings in jedem zweiten Film jemanden übers Wasser gehen? |
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Drei Engel für Charlie - Volle Power – die Barbie-Mutanten Das kann nur Genmanipulation sein: Sie fahren mit einem Truck von einer Brücke, starten im freien Fall einen Hubschrauber und entkommen in knapper Not dem Flammentod – und finden dabei noch die Zeit, ihren Lidstrich nachzuziehen ... Zugegeben, die Damen sind echte Hingucker, abgesehen davon rettet einzig ein gehöriger Schuss Selbstironie das Spektakel vor dem Absturz. |
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28 Days Later – die Bio-Mutanten Der Film zur Seuche: Danny Boyle erzählt, was passiert, wenn Großbritannien kollektiv dem Rinderwahn verfällt. Ob die Queen wohl auch zum Zombie mutiert? |
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Underworld – die klassischen Mutanten Ein Duell zwischen Werwölfen und Vampiren. Mutanten der Literaturgeschichte, vereinigt euch! |
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