Last Update: 23.06.10 |
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TALK-THEMA
Was können wir von Fahrenheit 9/11 erwarten?
Eure Meinung an: talk2@insidekino.com
Mark G. meint: Inzwischen steht fest, dass Fahrenheit 9/11 in den USA zum erfolgreichsten Dokumentarfilm nach nur einem Wochenende wird (bislang war der Rekordhalter Bowling for Columbine mit einem Einspiel von $21,6 Mio. in den USA und 1,2 Mio. Besuchern in Deutschland).
Aber wie geht es in den USA weiter? Wie wird der Deutschland-, wie der weltweite Erfolg? Wirst Du Dir den Film ansehen? Was erwartest Du? Ich bin gespannt auf Eure Meinungen!
Hier meine lange und auch recht persönliche Kritik.
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Agent K meint:
Hi Mark,
perfektes Biergartenwetter (26°C) und Vollmond! -
Vielleicht die Gründe, warum sich an diesem Freitag Abend um 20:00
Uhr gerade mal 15 Leute (zwei davon Kinopersonal) im 200er Saal
unseres Kinos "verliefen" um Fahrenheit 9/11 zu sehen. Bei
diesen Besuchermassen muß man nicht schätzen und so zählte ich dann
auch 3 (in Worten: drei) Frauen unter den Besuchern, der
Altersdurchschnitt war mittelalterlich, es gab nur 1 (in Worten:
einen) männlichen Zuschauer, der definitiv unter 15 Jahre alt war.
Zum Schnuppern gab es die Teaser von Catwoman (mal wieder)
und I, Robot, sowie die Trailer von Garfield,
King Arthur, Zwei Brüder (niedlich), 30 über Nacht
und (für mich neu) The Statement ein Film mit Michael
Caine aus dem Jahr 2003 (wirkt so altbacken wie Ladykillers).
Reaktionen (Lacher) erzielte nur 30 über Nacht und ein
Commercial von Media Markt! Ich persönlich fand den Trailer zu
King Arthur recht ansprechend, obwohl ich durch Deine
Kritik
schon gewarnt wurde.
Die Überleitung zum eigentlichen Film fällt mir in
diesem Falle recht schwer. Ich bin kein Fan von Michael Moore. Das
Thema seines Filmes Bowling for Columbine war mir zu
amerikanisch und sein zumindest spektakulärer Auftritt bei der
Oscar-Verleihung erschien mir doch eher fragwürdig. Politik ist eine
mühsame und langwierige Suche nach Kompromissen. Und wie schon
Ludwig Erhard sagte, ist ein Kompromiß ist die Kunst, einen Kuchen
so zu teilen, daß jeder denkt, er habe das größte Stück erhalten. Es
geht also um Ausgleich und (vielleicht nur geheuchelten) Respekt zum
politischen Gegner. Nicht der Weg ist entscheidend, sondern das
Ergebnis. Und so sind kleine Schritte und auch Umwege oft der
bessere Weg zum Ziel (Okay, klingt wie eine Weisheit des
Shaolin-Klosters). Michael Moore hingegen nimmt immer den direkten
Weg. Auf seine Art ist er ein Radikaler. Statt zu vermitteln,
polarisiert er die Menschen und kommt dadurch seinen eigentlichen
Zielen nicht wirklich näher. Und es fällt mir schwer, einem Menschen
zu vertrauen, der seine Ansichten derart extrem vertritt, auch wenn
ich sie, wie in diesem Falle, zufälligerweise teile.
Beladen mit derartigen Vorbehalten war ich von
Fahrenheit 9/11 dann doch positiv überrascht! Auf (für
moore'sche Verhältnisse) recht unaufdringliche Art dokumentiert der
Film den Zeitraum von Bushs umstrittener Amtseinführung, über die
Anschläge des 11. September, bis hin zu den Ereignissen im Rahmen
des zweiten Golfkrieges. Und obwohl die meisten Fakten schon bekannt
waren bot der Film doch auch eine Fülle von Details, die (für mich)
neu waren, oder scheinbar Bekanntes zumindest in ein anderes Licht
rückten. So vermittelt Michael Moore allein durch die Auswahl seiner
Bilder (z.T. ohne Bilder - nur Ton, wie im Falle der
Flugzeugeinschläge im WTC) Eindrücke von erschütternder Intensität.
Und damit trifft er durchaus meine Vorstellungen eines guten
Dokumentarfilmes! Leider wirkt der Film durch die aktuellen
Ereignisse (Folterungen in irakischen Gefängnissen, Wahlkampf in den
USA) auch schon etwas überholt. Etwas gewöhnungsbedürftig ist auch
die deutsche Umsetzung des Materials. Während Michael Moore's
Kommentar komplett synchronisiert wurde, blieben die diversen
Interviews im Original erhalten und wurden untertitelt. Etwas
nervig ist nur, daß die Untertitel aufgrund der eingeblendeten Namen
ständig an einer anderen Stelle der Leinwand zu finden sind - für
Leute, die auf die Untertitel angewiesen sind, nicht gerade ideal!
Doch zurück zum Film: Was kann man an Fahrenheit 9/11
kritisieren? Man könnte dem Film unterstellen, er wäre Propaganda?
Klar, Michael Moore's Kritik zielt voll auf George W. Bush, oder
zumindest auf seine Rolle als willige Marionette des Trio Infernals
Wolfowitz/Rumsfeld/Cheney und des mächtigen Bush-Clans. Doch legt
Moore hier meiner Meinung nach schon fast die an den Liberalen
kritisierte Unterwürfigkeit an den Tag. Hier muß schon eine härtere
"Gangart" eingeschlagen werden, um als Propaganda zu gelten! Und
Moore selbst liefert mit dem "Werbespot" des
US-Verteidigungsministeriums ja ein gutes Beispiel für wirkliche
Propaganda. Ich verweise an dieser Stelle auch gerne mal wieder auf
Paul Verhoevens Starship Troopers, einen meiner
Lieblingsfilme, den man in diesem Zusammenhang durchaus empfehlen
kann, zeigt er doch einige bemerkenswerte Parallelen! Weiter könnte
man Michael Moore unterstellen, er beschönige die Diktatur unter
Saddam Hussein, den ich hier keinesfalls heilig sprechen will. Aber
auch in etablierten Diktaturen gibt es fröhliche Kinder auf
Spielplätzen, lächelnde Frauen auf dem Bazar, feiernde Gruppen auf
Geburtstagen und Hochzeiten, alles Menschen, die sich nicht
unmittelbar und allgegenwärtig unterdrückt fühlen, und denen es
anbetracht der aktuellen Zustände schwer fallen dürfte, sich besser
zu fühlen, obwohl sie nun "frei" sind! Was bleibt ist schließlich
der vorhersehbare Vorwurf, daß Michael Moore die Trauer der
Hinterbliebenen für seine Zwecke instrumentalisiert! Ob diese (oft
mißbrauchte) Vorgehensweise wirklich nötig war, mag jeder für sich
selbst entscheiden. Zumindest beschränkt sich Moore hier auf das
Schicksal einer einzigen Frau, einer überzeugten Bush-Anhängerin,
die durch den Tod ihres Sohnes gezwungen wird, ihr Weltbild zu
überdenken. Erschütternd ist es allemal...
Die allerletzten Sätze des Filmes gehören dann
schließlich wieder George W. Bush, der ein bekanntes Sprichwort
zitiert, von dem ich hoffe, daß es eine selbsterfüllende
Prophezeiung wird! Ich persönlich will Fahrenheit 9/11
nicht abschließend bewerten oder gar empfehlen! Dafür ist die
behandelte Thematik zu komplex und eine subjektive, individuelle
Meinung zu wichtig! Auf dem Parteitag der Demokraten beschrieb
Ex-Präsident Bill Clinton (auch ich vermisse ihn) den
Präsidentschaftskandidaten John Kerry als Mann, der zuhören kann,
auch wenn seine politischen Gegner andere Ansichten vertreten. Dem
stimme ich zu! Ich bin kein Fan von Michael Moore, aber ich wollte
hören, was er zu sagen hat. Und ich habe ihm gerne zugehört...
Die Box Office Chancen von Fahrenheit 9/11
in Deutschland sehe ich nach den heutigen Erfahrungen nicht so
rosig. Ich bezweifle stark, daß der Film hier an die US-Erfolge
anknüpfen kann. Schließlich hatte der US-Start von Fahrenheit
9/11 hier in Deutschland eine größere Aufmerksamkeit als der
eigentliche D-Start selbst. Hier wäre mit Sicherheit eine bessere
Vermarktung möglich gewesen. Eine goldene Leinwand halte ich daher
für ausgeschlossen. Ob ich darüber glücklich sein soll weiß ich
nicht. Einerseits wird der Film damit der unseligen Argumentation
zum Thema "Antiamerikanismus" entzogen, andererseits schmerzt mich
die Gleichgültigkeit, die dem Film entgegengebracht wird. Denn eines
ist sicher: Fahrenheit 9/11 zeigt nicht wie Bowling for
Columbine ein spezifisch amerikanisches Problem. Ein gesundes
Mißtrauen gegen Regierungen ist nie verkehrt! Und Männer wie Michael
Moore sind wichtig, auch wenn sie manchmal lästig sind... ;)
Sooodele, für einen Crowd Report ist das Ganze jetzt
etwas "üppig" ausgefallen, vielleicht wäre es ja unter
Talk Thema besser
aufgehoben zumal auch dort kaum Meinungen zu Fahrenheit 9/11
eingegangen sind! Und da sich nun auch Dein US-Aufenthalt langsam
dem Ende nähert, von dieser Stelle aus ein paar liebe Grüße
an M. & E. und den ganzen Clan, deren Leben wir hier (Mark
G. in La-La-Land) ja seit Wochen indirekt mitverfolgt haben!
Bye, Agent K
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Nochetriste meint: Hi Mark, |
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