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LIEBE KINOBRANCHE!
18. April 2005 Liebe Kinobranche,
letzte Woche habe ich in meinem Artikel Die Wahrheit über das Besucherplus 2004 behauptet, dass die Kinobranche - trotz der steigenden Besucherzahlen im letzten Jahr - nach wie vor in der Krise steckt.
Diese Woche will ich einen 15-Punkte-Plan vorlegen, der Wege aus der Krise aufzeigt. Natürlich mag es vermessen erscheinen, dass ich mich mit meiner kleinen Website als "Heilsbringer" aufspiele, aber immerhin fühle ich mich mit 30 Jahren Erfahrung als Kinogänger und fast 20 Jahren Erfahrung als Kinomacher durchaus berufen, viele offensichtliche Tatsachen auf den Punkt zu bringen. Zur Piraterie werde ich diesmal kein Wort verlieren, schließlich wird ja alles mögliche unternommen, diese einzudämmen.
Manches habe ich schon öfters moniert, deswegen mag es für einige Leser Déjà-Vu-Erlebnisse geben, aber ich wollte mal alles auf einer Seite zusammenfassen.
Da meine Worte an die gesamte Kinobranche gerichtet sind, beginne ich erst einmal mit den Punkten, die die Filmverleiher verbessern können, gefolgt von den Kinobesitzern:
Filmverleiher:
1. Termine, Termine, Termine Junge, Junge, hier habt Ihr noch ganz schön viel zu verbessern, das ist auch der größte Brocken, der Euch betrifft... Es ist echt unglaublich, wie Ihr hier Geld verschenkt. Zum einen verschwendet Ihr wertvolle Termine, allein im letzten Jahr gab es vier Wochenenden, an denen Ihr keinen einzigen Film breit (über 200 Kopien) gestartet habt (s.a. Artikel vom 25. Dezember 2004). Zum anderen setzt ihr auf andere Termine bis zu fünf Breitenstarts oder lasst nur wenig Zeit zwischen zwei Blockbustern, die das gleiche Publikum ansprechen (letztes Beispiel: nur 14 Tage zwischen Meine Frau, ihre Schwiegereltern und Ich und Hitch - Der Date-Doktor, von der Horrorfilmschwemme will ich erst gar nicht sprechen). Hier müsst Ihr Euch wirklich mal fragen, ob es immer wert ist, darauf zu warten, dass der Star Sowieso für ein paar Stunden nach Deutschland kommt, obwohl drei Wochen früher der optimale Starttermin gewesen wäre. Dass Ihr einsichtig sein könnt, habt Ihr ja mit Eurer umgehenden Entzerrung der Termine nach meinem Blutbad & Gemetzel-Aufschrei vom 7. Februar 2005 bewiesen - ich gehe mal davon aus, dass einige Kinoketten gehörig Druck gemacht haben... Auch wenn Deutschland für seine runden Tische, Kommissionen und Arbeitskreise berüchtigt ist, wie wäre es mit einem gemeinsamen Gremium aus Verleihern und Kinos, um die Starttermine auf ein 52-Wochen-Jahr zu strecken? In diesem Gremium sollten vor allem Mittelstand-Kinobetreiber und nicht Kinoketten-Angestellte die Streitfälle und Extremsituationen besprechen, schließlich ist es den großen Multiplex-Ketten relativ egal, wie eng die Termine liegen, denn sie bekommen ja von Euch auf Eure Kosten eine zweite, dritte oder vierte Kopie pro Multiplex, um die Filme möglichst schnell auszuwerten. Der Mittelstand-Kinobetreiber verliert aber eigenes Geld, wenn es eng wird. Natürlich werde ich auch weiterhin auf unmögliche Terminsituationen hinweisen...
2. Deutsche Starts Der deutsche Film hat sich ja in letzter Zeit recht gut entwickelt und konnte die Verluste des US-Films erfreulicherweise wettmachen. Gleichzeitig sehen wir eine immer größere Verlagerung der US-Blockbuster in den Sommer (natürlich aus Piraterie-Gründen), die dazu führt, dass die eigentliche Kino-Saison von September bis Ostern immer schwächer wird. So schön neun Millionen Besucher für Bully im Juli auch sind, hört auf damit - die deutschen Blockbuster werden in der Hauptsaison gebraucht! Die US-Produktionen genügen im Sommer vollkommen... Und 7 Zwerge hat gezeigt, was da möglich ist (Memo an Constantin: Siegfried zum 7Z-Termin starten!). Außerdem hätte eine Verlagerung in die eigentliche Hauptsaison den Vorteil, dass Ihr nicht mit den Werbebudgets der US-Sommer-Blockbuster konkurrieren müsst.
3. Flexibilität Ich habe Euch dies schon einmal vorgeworfen: Da Ihr in Großstädten wie Frankfurt, München, Hamburg oder Berlin sitzt, habt Ihr keine Ahnung, wie das Kinoleben in kleinen Orten funktioniert. Auch in kleinen Städten mit wenigen Kinos muss - wenn man eine möglichst breite Besucherschicht "heranzüchten" will - eine möglichst große Programmvielfalt vorhanden sein. Durch Euren Zwang, die meisten Filme in allen Vorstellungen des Tages laufen zu lassen, dezimiert Ihr die Vielfalt und damit die Bandbreite des Publikums und schneidet Euch somit ins eigene Fleisch. Warum muss ein Film, von dem Ihr ganz genau wisst, dass er um 18.00 Uhr nur fünf Besucher haben wird, trotzdem um 18.00 Uhr laufen? Mit einem zweiten Film im Programm könnte das Kino zwanzig Besucher haben. Natürlich würden Euch diese fünf Besucher pro Tag fehlen, aber in anderen Spielwochen profitiert Ihr ja von den zwanzig Besuchern, wenn Euer eigener Film in dieser Schiene läuft. Und die gesamte Branche profitiert von 15 Besuchern mehr...
4. Qualität Seid Ihr Euch eigentlich bewusst, wie viele Gurken Ihr jedes Jahr ins Kino bringt? Muss denn wirklich jeder US-Stinker bei uns noch mit 100 Kopien gestartet werden (letztes Jahr habt Ihr 25 Filme mit über 100 Kopien gestartet, die zum Start weniger als 20.000 Besucher hatten, inkl. Previews!). Manche Besucher verirren sich trotzdem in diese Flops und überlegen es sich danach zweimal, ob sie so bald wieder ins Kino gehen. Zudem bindet Ihr unnötigerweise Kapazitäten der Kinos, die dadurch andere, womöglich bessere Filme absetzen müssen.
Ich weiß ja, dass Ihr kaum Einfluss auf die Hollywood-Studios habt, dennoch solltet Ihr bei jedem Treffen auf mehr Originalität und weniger Sequels, Remakes und Filmklone drängen...
5. PR Vor ein paar Wochen wurde in einer großen deutschen TV-Quiz-Show der Kandidatin die Frage gestellt, welcher Film im Jahr 2004 am erfolgreichsten war. Natürlich wusste die gute Frau die richtige Antwort nicht. Woher auch? Hier lohnt sich mal ein Blick über den großen Teich. Jede Tageszeitung und so gut wie jede Film-Website in den USA veröffentlicht die Kino-Top Ten des letzten Wochenendes. Hierzulande? Fehlanzeige! Die wöchentliche Top Ten-Liste ist billigste PR, die Ihr überhaupt nicht nutzt. Selbst diese Website, die sich ja hauptsächlich mit den Erfolgsaussichten von Filmen befasst, muss auf die aktuellen Deutschland-Charts verzichten, da der Lizenzinhaber 110 Euro (!) pro Woche (!) dafür verlangt. Und so geht es natürlich so gut wie allen Film-Websites und Tageszeitungen. Deswegen wird es höchste Zeit, dass Ihr dieses für Euch kostenlose Marketing-Tool freigebt, zumal der Werbeeffekt sicherlich mehr wert ist, als die Lizenzeinnahmen, die dem Verleiherverband zukommen.
6. Kulanz Es gibt mindestens einen großen US-Major unter Euch, der glaubt, durch besonders taffe Handhabung der Beziehungen zwischen Verleih und Kino mehr Geld aus den Kinobesitzern herauspressen zu können. Die Disponenten sind angehalten, keinerlei Kompromissbereitschaft zu zeigen und auf allen Maximalforderungen (Verleihmiete, Laufzeit, Vorstellungen, Saalgröße) zu beharren. Dieser (mindestens eine) US-Major ist sich bis heute nicht im Klaren, dass er mit dieser Politik Geld verliert, da es zum einem einige Kinobesitzer gibt, die dann bei B-Ware (manchmal sogar bei A-Ware) lieber auf einen Einsatz verzichten. Und zum zweiten gibt es erstaunlich viele Kinoprogrammierer, die folgende Politik betreiben: Wenn zwei Filme gleich mittelprächtig laufen, die nicht mehr in der vertraglichen Laufzeit sind, wird immer der Film des (mindestens einen) US-Majors (als kleine Rache) abgesetzt, wenn Platz für einen Neustart geschaffen werden muss. Dieselbe Arroganz und Unnachgiebigkeit des Verleihers sorgt auch für die meisten Starttermin-Überschneidungen und damit für Umsatzverluste für die gesamte Branche.
7. Vertrauen Hört auf die (meisten) mittelständischen Kinobesitzer! Das sind noch Kinomacher, die Kontakt zu Ihrem Publikum haben, die sich die Trailer zusammen mit ihren Gästen ansehen, mit ihren Kunden reden und die am besten wissen, was gut für ihr Haus (und die Branche) ist. Ihr habt zwar Eure Research-Tools, Umfragen und Marketing-Experten, aber gute Kinomacher sind ihr Gewicht in Gold wert...
Jetzt sind die Kinos dran:
8. Preise A Auch wenn ich immer wieder darauf hinweise, dass die durchschnittlichen Eintrittspreise in den letzten sechs Jahren nur um 20 Cent gestiegen sind (1998 5,50 Euro, 2004 5,70 Euro), empfinden die meisten Kinobesucher sie als zu hoch, gerade am Wochenende. Deswegen schaut Euch unbedingt Eure Preisstruktur an. Habt Ihr auch am Wochenende genügend preiswerte Plätze für Familien und die Jugend? Vergesst nicht, dass sich Familien in diesen schweren Zeiten sowieso jede Ausgabe zweimal überlegen und Ihr um das Taschengeld der Jugendlichen mit Handys, Videospielen und Discobesuchen konkurrieren müsst.
9. Preise B Wenn schon Eure Kunden die Eintrittspreise als zu hoch empfinden, dann klärt sie doch auf, dass sie es nicht sind! Erklärt ihnen, dass die Preise in den letzten sechs Jahren nur um 20 Cent gestiegen sind. Erklärt ihnen, wann Ihr Kinotag habt und welche Ermäßigungen gelten! Erklärt ihnen, was zwei Stunden Kino im Vergleich zu zwei Stunden Kirmes, zwei Stunden Fußballstadion, zwei Stunden Musikkonzert oder zwei Stunden Handy kosten... In meinem Kino hat sich so gut wie niemand über die Eintrittspreise beschwert, denn ich hatte einen Aushang an der Kasse, auf dem jeder lesen konnte, wie viel Geld von jedem Ticket nach Abzug von 7 % MwSt., 2,5 % Filmförderung und 53,5 % Verleihmiete eigentlich noch im Hause bleibt. Kann ich jedem von Euch nur empfehlen. Ihr könnt ja einen Spot oder ein Plakat produzieren, der diese Punkte zusammen fasst...
10. Vorprogramm Ich weiß, dass Ihr in diesen schwierigen Zeiten jeden Euro gebrauchen könnt. Aber es ist - auch in meinen Augen - gelinde gesagt eine Zumutung (gerade in der Vorweihnachtszeit, wenn die Werbung am längsten ist), wenn es bis zum Hauptfilm bis zu eine Stunde dauert. Habt Ihr Euch das mal selber angetan und Euch das immer lauter werdende unzufriedene Raunen im Saal angehört? Glaubt Ihr wirklich, dass dies dem Renommee des Kinos nutzt? Ein DVD-Käufer oder ein Downloader muss sich so etwas nicht antun! Deswegen muss eine Selbstbeschränkung auf 20 Minuten Vorprogramm her: 15 Minuten Werbung, 5 Minuten Trailer und weg mit der Eispause (eine weitere Nötigung derjenigen Kinobesucher, die kein Eis wollen).
11. Vorstellungen In diesem Zusammenhang bin ich immer wieder fasziniert von dem vielen Leerlauf, gerade bei den Multiplexen. Pausen zwischen den Vorstellungen von 30 bis 45 Minuten sind da keine Seltenheit. Welcher (produzierende) Betrieb kann sich denn so etwas leisten? In Familienbetrieben ist es doch auch möglich, einen Kinosaal in weniger als zehn Minuten zu reinigen. Der Abbau des Leerlaufs, gekoppelt mit einer Selbstbeschränkung beim Vorprogramm, kann zu ein bis zwei zusätzlichen Vorstellungen am Tag führen, ohne dass die Filmverleiher mit weiteren Kopien Gewehr bei Fuß stehen müssen. Selbstredend bedeuten natürlich mehr Vorstellungen mehr Auswahl, mehr Attraktivität, mehr Besucher...
12. Qualität Fast alle von Euch haben in den letzten zehn Jahren viel Geld in neue Kinos, neue Technik oder neue Ausstattung gesteckt. Zu dumm nur, dass Ihr bei der Bedienung Eurer teuren Technik so spart. Jede dritte Vorstellung, die ich besuche, hat Mängel. Mal ist die Lautstärke zu hoch, mal zu niedrig, mal wird der digitale Ton vergessen. Bildstriche, Formatfehler, Unschärfe, Laufstreifen bereits in der zweiten Vorstellung nach der Premiere (!) und Kolben, die schon längst ausgewechselt gehören, sind ein ebensolches Ärgernis wie Personal, das nicht einmal versteht, welche Punkte ich gerade bemängele. Wäre Euer Produkt ein Automobil, dann würdet Ihr aus den Rückrufaktionen gar nicht mehr heraus kommen. Wenn Ihr schon keine ordentlichen Berufsfilmvorführer einstellt, dann schult doch wenigstens Eure Studenten so lange, bis eine einwandfreie Vorstellung in allen Vorstellungen des Tages möglich ist.
13. Geduld Dieser Punkt betrifft vor allem Multiplex-Ketten. Ich kann ja verstehen, wenn Ihr einen Film wie Keine halben Sachen 2 am zweiten Wochenende abwürgt, nachdem weder die Qualität noch die Kasse gestimmt hat. Auf völliges Unverständnis stößt bei mir aber die Tatsache, dass Ihr einen Film wie Sommersturm, dessen Publikum sehr zufrieden war (der IMDB-Wert liegt bei grandiosen 8,2), ebenso behandelt und ihn ab dem achten Tag gerade mal noch in der 23.00 Uhr-Vorstellung gezeigt habt. Auch Ihr müsst Filme pflegen und manchmal eben geduldig sein. Das Kino braucht zufriedene Besucher. Aber wie soll Zufriedenheit aufkommen, wenn Ihr die Filme, die genau dies bewirken können, abwürgt?
14. Koordination Dieser Punkt betrifft Mehr-Kopien-Orte wie es meine Heimatstadt ist. Wenn Ihr schon von jedem B-Film, den Euer Kollege spielt, ebenfalls eine Kopie braucht, obwohl dies wirtschaftlich nicht sinnvoll ist (und die Vielfalt schrumpfen lässt), dann koordiniert doch wenigstens, dass Ihr den Film nicht auch noch am selben Termin absetzt. Folgendes Beispiel habe ich schon oft erlebt: Nehmen wir mal an, die Absetzgrenze liegt bei 300 Besuchern am Wochenende. Durch das Doppelspiel mit zwei Kopien in zwei konkurrierenden Kinos hat jedes Kino 250 Besucher, beide Betreiber setzen den Film ab, obwohl ein Weiterspiel eines einzigen Kinos bei einem 30 % Rückgang am nächsten Wochenende immer noch 350 Besucher ergeben würde. Verschenktes Geld, verschenkte Vielfalt...
Der nächste Punkt betrifft Euch beide:
15. Harmonie Hört auf, Eure Streitigkeiten auf dem Rücken der Kinobesucher auszutragen! Egal ob bei Hulk, Die Kühe sind los oder Million Dollar Baby, der Kunde interessiert sich nicht für Eure Vertrags-Streitereien, jeder Boykott ist kontraproduktiv. Wenn Ihr Euch im Vorfeld nicht auf einen Vertrag einigen könnt, dann klärt Euer Problem eben nach dem Start, z.B. mit Wenn-Klauseln ("Wenn eine bestimmte Besucherzahl erreicht ist, dann gilt dieser Prozentsatz, ansonsten gilt ein anderer Prozentsatz"). Ich bin es leid, immer wieder Lesern erklären zu müssen, dass der Film, den sie unbedingt sehen wollten, wegen Vertrags-Streitigkeiten nicht gestartet wurde. Steckt lieber Eure Köpfe zusammen, um wieder Leben in die Bude zu bringen. Warum wurde zum Beispiel das Kinofest nach nur zwei Ausgaben wieder eingestellt?
Natürlich treffen nicht alle diese 15 Punkte auf Jeden zu, aber geht ruhig mal in Euch und fragt Euch, in welchen Bereichen Ihr Defizite erkennen könnt. Wenn unsere fünfzig Filmverleiher und fünftausend Kinos diesen Test durchführen und Konsequenzen daraus ziehen, dann hat unsere von uns allen so geliebte Branche auch Chancen, den Herausforderungen durch Piraterie, kürzere DVD-Fenster, schrumpfende Einkommen/Freizeit (Arbeitszeitverlängerung wird oft als Thema übersehen) entgegen zu treten.
Aus Liebe zum Kino,
Euer Mark G.
P.S. Wie immer ist jede Mail zum Thema willkommen und wird auf dieser Seite veröffentlicht. |
Achim L. meint:
Hallo Mark,
da kann man eigentlich kaum noch etwas hinzufügen, jedoch lohnt sich eine
Diskussion dieses Themas auf deiner Seite im Moment wohl eher nur, um etwas
Frust abzulassen. Es müsste sich mal ein Verantwortlicher dazu äußern. Dazu
müsste jedoch wohl leider so ein Brief erst in einem Branchenmagazin wie
"Filmecho" veröffentlicht werden, um mal die Branche zu erreichen. Die
Aussichten dafür sind aber doch ziemlich gering.
Grüsse
Wolfgang D. meint:
Hi Mark,
ich habe nur eine kleine Anmerkung zu Deinem offenem Brief, die einmal mehr das Problem von Piraterie zeigt.
Als ich
diese Woche in einer Mikroökonomie-Vorlesung gesessen bin, saßen vor mir zwei
andere Studenten, die sich ganz offen über "Sin City" unterhalten haben - beide
haben den Film natürlich schon längst gesehen... und das sicher nicht im Kino.
Gestern saß ich in einer anderen Vorlesung. Neben mir saß ein Student, der sich
(während der Vorlesung!) auf seinem Notebook "Sahara" runtergeladen hat. Eine
kleine Anmerkung für alle Nicht-Studenten: Man kann sich an der Uni für ein paar
Euro ne Karte kaufen (W-Lan oder wie auch immer dieses Zeug heissen mag, ich
kenne mich damit nicht wirklich aus) und dann mit den entsprechenden
Zugangsdaten (die jeder Student bekommt) von jedem Ort am Campus aus kostenlos
ins Internet - mit ordentlichem Tempo.
Ich will das auch gar nicht weiter bewerten - nur als kleine Information, wie allgegenwärtig Piraterie ist.
Liebe Grüße
Achim H. meint:
Hallo
Mark!
Danke. Du bringst es mal wieder auf den Punkt bzw. Punkte!
Punkt 9. werde ich heute noch umsetzen.
Um auf die Problematik, die auch Wolfgang (Download) anspricht, zu kommen:
Ich verstehe es nicht wie man einen Film der SUPERHEISS (Sin City) ist, nicht so
bald wie möglich in D startet.
Wenn der Film, so wie mein Kenntnisstand ist, Ende des Sommers in Deutschland
anlaufen soll, dann wird sich sicher keiner mehr dafür interressieren, da ihn eh
schon alle zu Hause runtergeladen haben oder ganz offiziell gekauft haben.
Ich vergleiche den Film gerne mit ‘Pulp Fiction’ - selbe Zielgruppe, gleicher
Verleih.
Also angenommen ‘Pulp Fiction’ wäre an Stelle von ‘Sin City', dann behaupte ich
einfach, ‘Kult kann nicht mehr entstehen!
Denn Kult-(Filme) entstehen im Kino und nicht daheim auf dem Rechner.
Kam nicht 'Pulp Fiction sogar vor dem Amerika-Start in die deutschen Kinos, oder
täusche ich mich da (Mark G: PF startete bei uns
nur drei Wochen nach dem US-Start, lief aber natürlich schon im Mai in Cannes)?
Ich habe noch nie einen Film vom Netz geladen, aber bei dem bin ich kurz davor,
mich strafbar zu machen.
Also liebe BV: bitte bringt den Film so schnell wie möglich in die Kinos (und
zwar in die gleichen, die damals ‘Pulp Fiction’ spielten), bevor ich in den
Knast muss.
Mark weiter so!
Martin meint:
Lieber Mark!
Ich bin selber Kinomacher und möchte auch einige Bemerkungen zu Deinem "Liebe Kinobranche" machen. Ich habe mir auch meine Gedanken zum Kino gemacht.
Es war einmal,
…… da mussten Verleiher und Produzenten von den Prozenten der Kinoeinnahmen leben.
Aber dann kam das Fernsehen! Zuerst nur in Amerika mit Privatsender, die im Wettbewerb hohe Preise für eine Filmausstrahlung zahlten, dann endlich auch in Europa,
Ach war das ein Fest. Nun konnte man für längst bezahlte Filme nochmals kassieren.
Und dann, oh Schicksal, bescherte uns die Technik die Videokassette. Nun konnte man das dritte Mal kassieren.
Oh wunderbare Welt, kaum war die Videokassette da, war auch schon die Weiterentwicklung in Form der DVD erfunden, nun konnte man das vierte Mal kassieren.
Und dann erfand man die Verleih DVD, die Verkauf DVD, das Bezahlfernsehen und noch einige andere Verwertungsformen.
Und man hüpfte fröhlich im Geldspeicher herum, wie einst Dagobert Duck, denn das Geld strömte nur so von überall herein.
Von den Kinobesitzern nahm man aber noch mehr. Nachdem die nun gratis Werbung für all die schönen Vertriebsformen machten, kassierte man von denen dafür noch viel mehr Prozente als früher.
Und die Kinobesitzer bauten fröhlich Säle um ja noch mehr Geld abzuliefern und übersahen dabei, das Sie nur mehr eine Werbeabteilung für die Filmindustrie waren.
Und so kam es, dass die Kinos, den Kakao durch den sie gezogen werden auch noch selbst trinken.
Und wenn Sie nicht gestorben sind dann leben sie noch heute.
Quelle:
Blickpunkt Film
Ausgabe 43
Seite 17
|
1999 |
2003 |
2008 |
Kinoeintritte |
808 Mio € |
850 Mio € |
978 Mio € |
Home Video |
860 Mio € |
1.555 Mio € |
2.625 Mio € |
Zudem folgende Überlegungen:
Zu den Verleihern: jedes Wort ist wahr.
Zu den Kinobesitzern:
8.) Preise Hört auf, euch von den Besuchern einreden zu lassen, daß die Preise zu hoch sind. Denn nämlich nicht das Geld ist knapp, sondern die Leute wollen es nicht ausgeben. Wie in Baden Baden gehört: Sparquote 11% in Deutschland. Dazu die Verschiebung bei dem freien Budget zu Klingeltönen, Handykosten, Videospielen.
9.) Preise 2 Lieber höhere Preise und dafür Events schaffen, z.B. Verlosungen, Premieren e.c.t.
10.) Vorprogramm Dringend notwendig, wird aber die Multiplexe meiner Ansicht nach nicht berühren, denn die können von den Werbeeinnahmen schon leben.
11.) Vorstellungs Leerlauf Da beschwert sich kein Verleiher, daß die Multiplexe wegen der enormen Länge der Werbung weniger Vorstellungen unterbringen.
16.) Concession Weit mehr erstaunt mich mit welcher Geduld eure Kinobesucher an der Kinokassa oder an der Popcornkasse warten. Seid ihr schon mal in einem Autobahnrestaurant gewesen? Habt Ihr euch dort auch das Cola selbst gezapft? Oder die Tüte Chips selbst aus dem Regal genommen? Dann wisst Ihr ja wie es geht. Aber Ihr stellt lieber einen Angestellten hinter den Tresen und beide, Kunde und Bedienung warten geduldig bis der Becher voll ist. Schon mal darüber nachgedacht?
mfg
Achim L. meint:
Hallo,
ich will ja nicht zu pessimistisch sein, aber ich bezweifele im Moment ja
doch, dass das Kino noch zu retten ist. Es hat sich ja offensichtlich
herausgestellt, dass sich unter den Leuten die Mentalität herausgebildet
hat, dass man möglichst schnell möglichst viele Filme bei sich zu Hause hat,
egal, ob sie einen interessieren oder nicht. Das Wichtigste ist, dass man im
Freundeskreis sagen kann, dass man den und den Film schon gesehen hat.
Einer der Hauptfehler ist meiner Meinung nach (was ich nicht beweisen kann,
ist nur so ein Gefühl), dass man sich die letzten ca. 10 Jahre vor allem auf
ein jugendliches Publikum verlassen hat und hauptsächlich für diese
Zielgruppe Filme hergestellt hat und die älteren Jahrgänge nach und nach aus
dem Kino vertrieben hat. Nun sind es Aber gerade Schüler und Studenten
(offenbar), die durch die Downloads wegfallen. Kinder und Erwachsenenfilme
laufen ja immer noch recht gut (nur als Beispiel "Was das Herz begehrt", "My
Big Fat Greek Wedding", "Der Untergang" usw.). Die großen Blockbuster der
letzten Monate waren zudem noch sehr schlechte Fortsetzungen, bei denen die
meisten ganz ehrlich noch mehr Besucher hatten, als sie eigentlich verdient
hätten ("Bridget Jones 2", "Ring 2", "Ocean's 12"...).
Das andere Hauptproblem scheint ja zu sein, dass das Kino den großen Studios
als Einnahmequelle nicht mehr so wichtig ist, da man ja mit anderen Formaten
viel mehr Geld machen kann. Ich mag mich ja irren, aber ich mag einfach
nicht glauben, dass eine DVD sich gut verkauft, auch ohne das der Film zuvor
erfolgreich im Kino gelaufen ist. Das wird ja vielleicht schon bald die
Zukunft zeigen.
Ein dritter Punkt, der bisher noch nicht so diskutiert wurde, und den ich
schon mal angesprochen habe, ist die mangelnde Unterstützung durch das
Fernsehen. Es gibt immer noch keine Kinosendung zur Hauptsendezeit. Da
könnte sich auch mal was tun.
Grüsse
Markus R. meint:
Hallo Mark!
Danke für deinen tollen, gut durchdachten Brief. Ich habe ein paar
Anmerkungen:
In den letzten Tagen einiges gehört, was meine Neugier erweckt hat: George
Lucas, James Cameron, Robert Zemeckis und Steven Spielberg wollen ab 2008
(mit dem Jahr bin mir nicht sicher) nur mehr alle Filme in 3-D drehen. Lucas
will sogar seine Star Wars Filme in 3-D wiederaufführen.
Wow! Wenn das stimmt, so könnte das vielleicht die Rettung des Kinos sein!?
Wenn diese Technologie massentauglich (soll heißen: jedes Kino zeigt in 3-D)
ist, so sehe ich wirklich Licht am Ende des Tunnels.
Mit der Einführung des 3-D Sounds erlebte die Kinobranche ja auch einen
Aufschwung, solch eine Innovation würde die Neugier am Kino enorm steigern.
Das Problem ist nur: Alle Kinos müssten auf 3-D Projektoren umstellen und
wenn man bedenkt dass erst die wenigsten Kinos komplett digital fahren (bin
ich hier richtig informiert?) kann ich mir nicht vorstellen, dass diese
Technik sich so schnell durchsetzten wird. Vor allem die kleineren Kinos
würden diesen Schritt (der mit enormen Kosten verbunden ist) wohl kaum
überleben.
mfG
Jörg H. meint:
Hallo Mark,
zunächst einmal vielen Dank für diese tolle Analyse - es wäre schön, wenn sich manch einer in den Entscheidungsetagen der Filmbranche diese Liste ausdrucken und einprägen würde.
Das grösste Problem sehe ich wirklich in der miserablen zeitlichen Platzierung der Filme. Es kann einfach nicht sein, dass es Wochenenden und Monate gibt, in denen sich wirkliche gute Filme mit Potential gegenseitig kannibalisieren und dann wieder wochenlang nur "Schrott" rauskommt.
Wenn man schon auf die amerikanischen Majors (u.a. auch wegen der Raubkopie-Sorge) keinen grossen Einfluss bezüglich des Starttermins in D nehmen kann, sollte sich doch aber zumindest die deutschen Verleiher clever in den Lücken der US-Verleiher platzieren, anstatt meinen zu müssen genau zur gleichen Zeit zu starten.
Wenn ich mir anschaue, was Constantin Film jetzt mit seinen beiden Top-Titeln 2005 und 2006 macht kann ich bloss mit dem Kopf schütteln.
Siegfried start jetzt am 21.7. parallel zu Mr. und Mr. Smith und Charlie und die Schokoladenfabrik - zwei ziemlich sicheren Hits.
Und Hui Buh wurde gerade auf den 20.7.2006 gelegt - parallel zu Over the Hedge (einem ziemlich grossem CGI-Film) und eine Woche vor Piraten der Karibik 2.
Dabei muss man ja sehen, dass der Juli traditionell nie einer der sehr starken Kino-Monate gewesen ist. Warum lässt man die Filme nicht wie bei den 7 Zwergen vorgemacht irgendwann zwischen Oktober und März starten - wo die US Mega-Blockbuster etwas dünner gesät sind.
Ich denke nicht, dass sich die Deutschen so einfach "amerikanisieren" lassen - hier hat man im Sommer einfach oft besseres zu tun, als ins Kino zu gehen.
Holger H. meint:
Hi Mark,
als Kinofan und nach dem letzten Frusterlebnis muss ich nun endlich auch mal meinen Senf abgeben. Einen Punkt hast Du leider vernachlässigt -> Professionalität in den Kinos. Am Besten ich erkläre das kurz; also:
An meinem 1. Hochzeitstag wollte ich einen gemütlichen Kinoabend mit meiner Frau verbringen, also Film ausgesucht (Königreich der Himmel), Karten im Multiplex (CineStar) gekauft und ab in die Vorstellung. 20min Werbung – Eispause – 10min Werbung – 45(!)min Film 20(!)min Pause – 2Unterbrechungen wegen Tonstörungen. Der Film geht 2:15h – wieso muss man dort eine Pause einfügen? Ach ja, vielleicht kauft ja doch noch einer Popkorn und Überlängenzuschlag macht ja bei Film, Werbung und Pause (3:10min) auch wieder Sinn. Der Film war nicht schlecht, aber das Drumherum hat viel vom „KinoZauber“ genommen. Schade!
Wenn das so weiter geht warte ich in Zukunft bis die DVD da ist, kauf mir ein paar Bier und schau mir die „Blockbuster“ auf meine Heimkinoanlage an. Also Liebe Multiplex-Besitzer nehmt Eure Zuschauer ernst, bietet Ihnen etwas für Ihr Geld und sucht die Schuldigen nicht immer woanders, denn einige Probleme sind Hausgemacht!
Ich bin ziemlich gefrustet – trotzdem
Schöne Grüße
Thomas W. meint:
hallo
mark,
Zum Thema " Liebe kinobranche "
Zu Punkt 8 und 9 Preise.
Ich bin wohl der Meinung das die Eintrittspreise DEUTLICH zu hoch sind.
Bei uns in Pforzheim kostet am We Sperrsitz 6,10€ Parkett 7,10€ und Loge 7,80€.
Das muß man sich mal Vorstellen 7,80€ für mich ist das schon eine
unverschämtheit.
Ich Denke der Hauptgund ist das die Kinobranche nach den Deutlichen
Besucherrückgängen sich gedacht hat das Fehlende Geld durch höhere
Eintrittpreise wieder auszugleichen, aber das Gegenteil ist der Fall.
Ich bin ein sehr Großer Kinofan,es gab Zeiten da war ich jedes We im Kino
manchmal sogar 2 Mal, Mittlerweile gehe ich "nur" noch 1-2 Mal im Monat.
Die Wohl größte schuld Tragen aber die Filmstudios die den "stars" gagen von 30
millionen und mehr Zahlen und darum werden die Filme so Teuer.
Vielleicht wäre auch hier mal ein umdenken angesagt.
Einem "star" halt mal "nur" 1 Million zahlen dafür gewinnbeteiligung .
Das würde die Kosten für den Film Deutlich senken ,daraufhin könnte man die
Eintrittpreise senken ,was Bedeuten würde es gingen wieder mehr Menschen ins
kino, auch solche die es sich bei den Eintrittspreisen wirklich nicht Leisten
können, wodurch am Ende alle profitieren würden.
Die Studios der Filmverleiher die Kinobetreiber und natürlich auch die Besucher.
Noch kurz zur Werbung: gerade wer oft ins Kino geht ist Gewaltig genervt, wenn
er sich bei den Eintrittspreisen noch eine halbe stunde immer wieder die GLEICHE
Werbung ansehn muß .
Gruß
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